Ein detaillierter Blick ins Nichts

Von den Investitionsgeldern der Jahre 2005 bis 2010 sind zwei Drittel schon weg. Nun soll der Rest und schon mal die Hälfte der Investitionsmittel der Jahre 2011 bis 2014 verplant werden. Doch die detaillierte Liste der geplanten Ausgaben hat Lücken

Bremen taz ■ Eigentlich ist Bremen seit Jahren pleite. Neun Milliarden Euro Sanierungshilfe wurde seit 1993 gezahlt, Staatseigentum für mehrere Milliarden Euro wurde verkauft, die offizielle Schuldensumme ist dennoch nicht gesunken. Stattdessen ist eine versteckte Art der Schuldenaufnahme hinzugekommen: „Kapitaldienstfinanzierung“ heißt der Griff in die Trickkiste. Zum Beispiel muss der Haushaltsgesetzgeber, wenn er im Jahre 2008 den Etat für 2009 aufstellt, 12,2 Millionen Euro Investitionen für den Space-Park einplanen. Nicht, weil heute schon bekannt wäre, dass dann neue Zuschüsse fließen sollen, sondern weil längst getätigte Ausgaben über Kredite „vorfinanziert“ und erst 2009 in den offiziellen Schuldenhaushalt übernommen werden sollen.

Bis zum Jahre 2014 reichen inzwischen die Vorgriffe über diese so genannten „Kapitaldienstfinanzierungen“. Und da die Mitglieder des Haushaltsausschusses selbst den Überblick verloren haben, hat der Senat eine präzise Liste vorgelegt. „Mehr Transparenz ist kaum möglich“, so der Finanzsenator stolz. „In Bremen muss man Selbstverständlichkeiten schon als Fortschritt sehen“, kontert die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Karoline Linnert (Grüne), trocken.

Das Tabellenwerk zeigt, was im Frühjahr die Parlamentarier in Alarmstimmung versetzte: Von den 1,5 Millionen Euro Investitionsmitteln des Anschluss-Investitions-Programms (AIP), die zwischen 2005 und 2010 zur Verfügung stehen sollen, sind zwei Drittel schon weg. Auf die restlichen 483 Millionen Euro, die noch nicht ausgegeben oder fest verplant sind, haben die Ressorts 965 Millionen Euro Ausgaben „angemeldet“. Was tun? Sollen Messeveranstalter in Bremen ohne Zuschuss auskommen müssen, soll auf geplante Gewerbeflächen-Entwicklungen verzichtet werden? Um solche peinlichen Fragen nicht stellen zu müssen, hat die Arbeitsgruppe der Staatsräte nun vorgeschlagen, von den Investitionsgeldern, die für die Jahre 2011 bis 2014 eingeplant sind (eine Milliarde Euro), schon mal die Hälfte im Voraus auszugeben. Damit würde sich der „Überhang“ bis 2010 auf 243 Millionen Euro reduzieren.

Auch das aber sind 243 Millionen zuviel. Es muss also gestrichen oder gestreckt werden. De facto sind für die Jahre nach 2010 deutlich mehr als die Hälfte der AIP-Mittel verplant, denn viele der absehbaren Kosten sind gar nicht in die Liste aufgenommen. Der einst gewährte 40-Millionen-Kredit für den Space Park taucht zum Beispiel nicht auf – als glaubte jemand im Ernst daran, dass das Geld je zurückgezahlt würde.

Für das Musikfest etwa stehen bis zum Jahre 2010 jeweils 880.000 Euro in der Liste der „Investitionen“. Falls es das Ereignis im Jahre 2011 noch geben soll, reduziert sich die Summe der verfügbaren Gelder um diesen Betrag. Für den Science-Park an der IUB stehen nur fünf Millionen Euro im Plan. Jedem ist klar: Wenn das etwas werden soll, wird es teurer. Für die Ausweitung des Technologieparks über die Autobahn hinweg ins Hollerland, die von der CDU einmal vehement gefordert wurde, ist auch bis 2014 kein Cent angemeldet worden. Das Thema scheint von der Wunschliste gestrichen. Die Ausgaben für die Bremen Marketing-Gesellschaft BMG, 1,2 Millionen pro Jahr, stehen unter Investitionen und brechen 2010 brüsk ab. Niemand geht davon aus, dass sich die BMG dann in Nichts auflösen soll. Und so weiter. Wie viel der Gelder von 2011 bis 2014 de facto schon verplant sind, wird also keineswegs „transparent“. Es sind deutlich mehr als 50 Prozent.

Klaus Wolschner