Glücklicher auf dem Hühnerhof

Bauer Schmids Hennen dürfen frei laufen. Den Vorurteilen zum Trotz rentiert sich das

BERLIN taz ■ Die Deutschen lieben Eier, im Schnitt verputzt jeder 220 Stück im Jahr. Manfred Schmid nicht. Das erstaunt, denn er lebt von ihnen. Oder genauer gesagt von den 3.000 Hennen, die er auf seinem Hof im baden-württembergischen Aalen hält. Und die wiederum sind ihm ans Herz gewachsen. Dementsprechend ist ihre Welt in Ordnung: Schmids Hennen kennen keine engen Käfige, kein grelles Neonlicht. Schmid hat einen Musterbetrieb für artgerechte Haltung: Die Allianz für Tiere verlieh ihm den Pro-Tier-Förderpreis. Bundespräsident Johannes Rau (SPD) fand ihn „vorbildlich“. Und die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast hätte gerne noch viel mehr solcher Hühnerbauern.

Doch bisher werden gerade mal zehn Prozent der 50 Millionen deutschen Hennen in Deutschland wie auf Schmids Hof gehalten. Das sei einfach nicht wirtschaftlich, raunen die Kritiker. „Stimmt“, sagt Schmid. Er könne auf dem gleichen Platz auch 60.000 Batteriehühner halten und viel mehr Geld verdienen. Doch kommt seine dreiköpfige Familie mit dem Gewinn aus. Mittlerweile hat der Demeter-Bauer zwei Leute ganztags eingestellt und einige Teilzeit. Auf seinem Hof kräht der Hahn, wenn der Morgen dämmert. „Sehr zum Leid der Nachbarn“, erklärt Schmid. Für die Hennen aber ist der Hahnenschrei das Signal, in den Tag zu starten. Sie putzen ihr Gefieder, scharren im Stroh, picken Würmer im Gras – und haben schon bis zehn Uhr morgens 90 Prozent aller Eier gelegt. Danach haben sie sozusagen frei, nehmen ein Bad in der Sonne oder wandern umher. Am Tag legt ein Huhn rund 1,5 Kilometer zurück.

Freilandhaltung höre sich zwar gut an, sei aber nicht das Gelbe vom Ei, konstatierten jüngst Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule Hannover in einer Studie im Auftrag des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Hühner, die auf die Wiese gelassen würden, seien häufiger krank und müssten stärker geimpft werden als andere. Die Hühner pickten und hackten sich zudem häufiger zu Tode.

Schmid verwundert das nicht. 40 Jahre lang seien Hühner nur auf Hochleistung in Legebatterien getrimmt worden. Für das Leben draußen seien sie nicht mehr geschaffen: zu wenig Federn, zu schwacher Magen. Schmid hält deshalb robustere, südafrikanische Rassen. Die vertrügen auch mal einen Schluck Wasser aus der Pfütze. Außerdem zieht der Ökobauer die Tiere mittlerweile selbst groß. Zum einen fallen so die sonst üblichen Transporte zwischen Zucht- und Mastbetrieb weg. Zum anderen gewöhnen sich die Tiere früh an die strenge Rangordnung. In seinem Stall seien die Hühner „gelassener“. Der bietet übrigens allen „Schicki-Micki“, sagt Schmid.

Schöner Wohnen für Hennen sieht so aus: Sie können vom Stall in den überdachten Auslauf, den Wintergarten, auf die Wiese laufen. Es gibt Ruhe- und Schlafzonen auf verschiedenen Ebenen. Die Legenester sind abgedunkelt. Schmids Hennen legen rund 250 Eier im Jahr. Zum Vergleich: Die konventionellen Artgenossen werden durch ein spezielles Kraftfutter und Licht, das permanenten Frühling vorgaukelt, zu 300 stimuliert. Das Mehr an Natur hat seinen Preis. Schmids Eier kosten zehn Cent mehr als die aus dem Käfig.

Wem das nicht zu viel ist, kann Eier von Höfen wie solchen der Schmids demnächst am Aufdruck erkennen: Ab Januar müssen alle Eier entsprechend ihrer Herkunft gekennzeichnet werden. „Aus Käfighaltung“ soll dann auf den Verpackungen zu lesen sein. Die Eier selbst bekommen einen Stempel.

HANNA GERSMANN