Frischluft für Tabaklobby

Neue Runde im Kampf von Hans Eichel gegen Ulla Schmidt: Der Finanzminister scheint sich bei der Tabaksteuer gegen die Gesundheitsministerin durchzusetzen. Wahrscheinlich werden Zigaretten nur um 1,2 Cent teurer. Grüne sind dagegen

von ULRIKE WINKELMANN

Beifälliges Hüsteln aus der Raucherecke: Die Tabaksteuererhöhung wird vermutlich erstens verschoben und zweitens abgeschwächt. „Ein lupenreines Geschenk an die Tabakindustrie“, erkennt der SPD-Gesundheitspolitiker Klaus Kirschner. Sollte die Steuererhöhung auf 1,2 Cent pro Zigarette gedrückt werden, „dann ist die Fraktion eindeutig um die Fichte geführt“ – also betrogen worden.

Regierung und Opposition hatten in der Gesundheitsreform ausgehandelt, dass die Tabaksteuer in drei Schritten um 1,5 Cent pro Zigarette steigen sollte. Ab 2006 sollten 4,2 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich eingenommen und so familienpolitische Leistungen wie Mutterschaftsgeld finanziert werden.

Nun ist die Gesundheitsreform längst über den Tisch. Doch das Gesetz zur Tabaksteuererhöhung könnte im Vermittlungsausschuss am 10. Dezember umgestülpt werden – es sei denn, es fliegt noch aus dem Vermittlungsverfahren. Dafür könnten SPD und Grüne sorgen, denn das Gesetz ist nicht vom Bundesrat zustimmungspflichtig und könnte mit „Kanzlermehrheit“ verabschiedet werden. Dies etwa verlangt auch Grünen-Fraktionschefin Krista Sager: „Wir Grünen werden alles tun, um bei den 1,5 Cent zu bleiben“ erklärte Sager gestern der taz.

Abwarten. Gestern galt bereits als gesichert, dass von der Tabakindustrie nicht mehr verlangt werde, die Steuererhöhung zum 1. Januar 2004 umzusetzen – also neue Banderolen zu drucken. Damit hat sie vermutlich bis zum 1. April Zeit. Darüber hinaus hielten es Eingeweihte für wahrscheinlich, dass sich die Erhöhung auf 1,2 Cent pro Zigarette beschränken werde. Durch Verschiebung plus Abschwächung werden allein die für 2004 vorgesehenen Einnahmen um 750 Millionen Euro verringert und so knapp halbiert. Es sei abzusehen, hieß es gestern, dass Finanzminister Hans Eichel (SPD) bei derart verminderten Einnahmen der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bald sagen werde, dass aus der Steuerfinanzierung familienpolitischer Leistungen nichts werde.

Womit Eichel sich dann durchgesetzt hätte. Von vornherein hatte er sich gegen die Tabaksteuerpläne gestemmt, und mit ihm die rotgrünen Finanzpolitiker. Eichel fühlte sich von Schmidt übertölpelt, die die Tabaksteuer ohne Absprache mit ihm aus dem Hut zauberte. Seither können sich die Ministerien außerdem nicht auf Berechnungen einigen, wie sich welche Steuererhöhung auf die Rauch- und Schmuggelbegeisterung der Bevölkerung auswirken. Durch Gekungel im Vermittlungsausschuss können es die „Finanzer“ nun so aussehen lassen, als verlange die CDU im Gegenzug für die Verschiebung der Tabaksteuer einen „Kompromiss“ in Höhe von 1,2 Cent statt 1,5 Cent.

Das Finanzministerium hielt sich gestern bedeckt. Es behauptete jedoch, dass die Verschiebungskosten ja kompensiert würden, weil die Raucher vor der Erhöhung Hamsterkäufe tätigen würden. Die Idee wäre also, dass die Raucher schon mal auf Vorrat qualmen.

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