Ein bisschen Streit muss sein

Wenn es zum Zwist über Europa kommt, dann über ein Verfassungsreferendum

BERLIN taz ■ Sollen die Deutschen in einem Referendum über die erste Verfassung der EU abstimmen? Ja, sagt die Grüne Jugend und fordert in einem Änderungsantrag zum Europawahlprogramm die grüne Bundestagsfraktion auf, sich für die dafür notwendige Grundgesetzänderung einzusetzen.

Doch genau diese Fraktion hatte vor gerade mal drei Wochen einen entsprechenden Antrag der FDP im Bundestag abgelehnt und sich damit zugleich gegen den ersten bundesweiten Bürgerentscheid ausgesprochen. Droht auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Dresden also ein weiterer typisch grüner Konflikt? Stehen erneut grüne Grundprinzipien gegen die Koalitionsdisziplin und die Treue zur Regierung, die ein Verfassungsreferendum ablehnt? 60 bis 70 Prozent der Delegierten, so schätzt Benedikt Lux von der Grünen Jugend, würden für den Referendumsantrag stimmen.

Doch die Frage lässt sich nicht einfach in das Grundschema grüner Auseinandersetzungen einordnen. Sie hat viel zu tun mit den Erfahrungen, die man in der EU bisher mit Volksabstimmungen gemacht hat. Beim fast gescheiterten Referendum über die Einführung des Euro in Frankreich zum Beispiel. „Wir wissen doch, dass nationale Abstimmungen über europäische Fragen bisher fast immer von innenpolitischen Themen überlagert wurden“, sagt etwa die grüne Europaabgeordnete Heide Rühle. Daher habe man sich im Konvent für ein europaweites Referendum über die Verfassung eingesetzt. Und sei gescheitert.

Ein Referendum über die Verfassung wird von vielen Grünen aber auch wegen seiner Sprengkraft abgelehnt. Denn was passiert, wenn die Bevölkerung gleich mehrerer Staaten das künftige EU-Grundgesetz ablehnt. Zerfällt dann die Union? Der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit hat hierfür klare Bedingungen formuliert: Notwendig sei eine doppelte Mehrheit. Erstens die der EU-Bürger und zweitens diejenige von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten. Sagt ein Staat nein, muss innerhalb eines Jahres die Abstimmung wiederholt werden. Und dann wird dies auch eine Entscheidung darüber sein, ob der Staat in der EU bleibt oder nicht.

Mit der ablehnenden Haltung der Bundestagsfraktion zu dem FPD-Referendumsantrag sind weder Heide Rühle noch Cohn-Bendit zufrieden. Seiner Ansicht nach sollten die Grünen in dieser Frage weiter Druck auf die Bundesregierung machen. So könnten sie in Dresden einen Antrag beschließen, der Gerhard Schröder auffordert, sich bei der laufenden EU-Regierungskonferenz für eine europaweite Volksabstimmung einzusetzen.

Aussichten auf Erfolg hat das freilich nicht. Genauso wenig übrigens wie die Hoffnung auf eine Grundgesetzänderung im Bundestag. Ein symbolischer Streit ums Referendum also, und damit eben doch wieder ein typisch grüner. SABINE HERRE