berliner szenen Essbare Ausstellung

Europa soll kommen

Am Anfang ist es wie beim Showing im Udo-Walz-Salon: Damen mit Frisuren – das Haupthaar zum Helm gefönt und mit Haarspray gegen den Herbstwind gesichert – versammeln sich. Man trägt Prada und Ponchos und ein Insider-Lächeln auf den Lippen.

Der Diplomatenclub „Willkommen in Berlin“, der sich um die Ehefrauen der ausländischen Diplomaten kümmert, hat zur Vernissage geladen. „Europa bittet zu Tisch“ heißt die Sammlung von zehn Tischen, die von den Botschaftsdamen der zehn neuen EU-Beitrittsländer im nationalen Stil gedeckt sind. Im Foyer der ungarischen Botschaft sieht man modernes und traditionelles Geschirr, Tischdecken, Besteck, Gläser und in der Mitte die Nationalflagge des Landes. Litauen überrascht mit Tellern aus handgeschöpftem weißem Papier, die an Stalaktiten aus der Tropfsteinhöhle erinnern.

Auf den Stalaktiten liegen Schokopralinen. Die darf man nicht essen. Auch die blank polierten roten lettischen Äpfel mit weißen Schleifchen am Stiel bleiben, wo sie sind: hinter der Absperrung, bewacht von einer übellaunigen Hostess. Auf dem Zypern-Tisch steht ein kleiner Kocher mit Kartoffeln, eine Madonna-Statuette, orientalische Mokkatassen mit Silbertablett, und etwas, das aussieht wie eine Bong. Später am Abend – der förmliche Teil fällt mit Europa-Gedanken, Blumensträußen und Rousseau-Zitaten kurz aus – darf man dann an das Beitrittsbuffet und den Schnaps. Lettischer Kräuterbitter „Balsam“ und estnischer Krem-Likör „Vana Tallin“ verteilen die maltesischen Pasteten und die slowakischen Plinsen so im Bauch, dass er nicht platzt. Ludmilla aus Tschechien kippt mit einem Gruß an die taz ihren dritten Bison-Wodka runter und lacht. Europa kann kommen.

JANA SITTNICK