Einbrecher Toni hatte Geschenke dabei

Ein Stalker brach in Jeanette Biedermanns Wohnung ein. Aus Liebe, sagt er. Das Gericht verhängt eine Geldstrafe

„Ein gravierender Einbruch in die private Sphäre“, begründete der Richter das Urteil

Wenn jemand das „Pop-Schneewittchen“ (B.Z.) der Nation ist, dann ist kaum zu ermessen, wie der kollektive Beschützerinstinkt zuschlagen kann. Jeanette Biedermann singt immer munter („Hold the line“) und lacht immer nett. Und dann das: Ein Mann ist in ihre Wohnung eingebrochen, hat sich dort 24 Stunden aufgehalten und sich wie alle sieben Zwerge zusammen verhalten: In ihrem Bett gelegen, ihren Champagner getrunken, ihre Zigaretten geraucht und Knabbereien verzehrt.

Deswegen stand der Mann aus Halle mit Spitznamen Toni gestern vor dem Berliner Amtsgericht. Und weil er Biedermann schon seit zwei Jahren nachstellt, ging der Fall als typisch für „Stalking“ durch die Medien. Von „psychischer Gewalt“ hatte Biedermann selbst gesprochen. Fast überall wurde berichtet, dass „Stalker“ in vielen Ländern unnachgiebig bestraft würden. Nur in Deutschland herrsche die Nachsicht. Den hessischen Justizminister Christean Wagner von der CDU empörte das. Er brachte im Juli ein „Stalking-Bekämpfungsgesetz“ ein. Die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries prüft nun die Vorlage, hat aber vorsichtig darauf hingewiesen, dass es in Deutschland schon Mittel und Wege gegen „Stalking“ gebe.

Und gestern – im Prozess gegen den Biedermann-Stalker – konnten die Juristen den Beweis erbringen, ob Herr Wagner Recht hat oder Frau Zypries. Reicht das deutsche Strafrecht gegen Toni aus Halle oder reicht es nicht? Weil er ja noch nicht als „Stalker“ angeklagt werden konnte, nannte der Staatsanwalt ihn erst einmal einen Wohnungseinbruchsdieb, während der Richter den rechtlichen Hinweis gab, dass Toni eher ein Dieb und Hausfriedensbrecher zu schelten sei. Denn „beim Eindringen in die Wohnung wollte er ja noch nichts stehlen“. Im Gegenteil: Er hatte einen Koffer voll Geschenke dabei.

Ein Gesetz gibt es also. Aber wie sieht es mit der Strafe aus? Da sprach die Tatsache, dass er sich in das Bett gelegt hatte, gegen ihn. „Ein gravierender Einbruch in die private Sphäre“, sagte der Richter später in der Urteilsbegründung. Andererseits hat Toni alles gestanden und zum Ausgleich für die verzehrten Lebensmittel eine Spende von 100 Euro auf ein Konto des Roten Kreuzes überwiesen, für das „Frau Biedermann ja als Botschafterin wirbt“.

Ausschlaggebend ist damit das Urteil von Psychiater Frank Pillmann. Der sprach bald medizinisch, bald juristisch und bald, als würde er Shakespeare zitieren: Von einer wahnhaften Überzeugung, von der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit und dann: vom Liebeswahn. Die Liebe von Frau Biedermann habe er unmittelbar erlebt, obwohl sie „offenbar irreal ist“.

Das hatte sich schon so angehört, als der Richter das schriftlich eingereichte Geständnis des Angeklagten vorlas: Am Anfang sei da ein Blickkontakt auf dem Berliner Ku’damm gewesen, und als er ihr Konzert in Dresden besuchte, da hätten ihre Bandmitglieder einen Wink gegeben: „Verwundert und gerührt haben sie mich angesehen.“ Die anonymen Anrufe, die er erhielt, stammten von ihr, sie ließ ihm auch geheime Botschaften über „Viva Plus“ zukommen und habe sich mit ihm getroffen. Allerdings habe er nur ihr Haar, nicht ihr Gesicht wiedererkannt.

Klar, dass er da in ihre Wohnung eindringen musste. Sie liebte ihn, aber machte ihm die Tür nicht auf. „Weil ich weiß, wie sehr eine unerfüllte Liebe einen Menschen belasten kann, war ich überzeugt, dass sie sich etwas angetan hat.“

Vermindert schuldfähig, findet der Verteidiger, sei Toni. Er habe gewusst, dass man trotzdem nicht in die Wohnung von jemandem eindringen darf, findet der Staatsanwalt. Der Richter spricht von Schuldminderung. 3.600 Euro sind die Strafe. Es gibt sie also für „Stalker“. Allerdings wird die verfolgte Sängerin nicht zufrieden sein: „Es kann nicht sein, dass die mit einer Geldstrafe davonkommen“, hatte Jeanette Biedermann vor dem Prozess einer Zeitung gesagt. MAREKE ADEN