: Provokanter Wirbelwind
BOXEN Yuriorkis Gamboa hat Großes vor. Der Exilkubaner will in die Fußstapfen von Superstar Oscar de la Hoya treten. WBA-Weltmeister im Federgewicht ist er schon mal
VON KNUT HENKEL
„Ich habe das erreicht, was ich mir immer gewünscht habe“, jubelte Yuriorkis Gamboa mit breitem Grinsen nach dem Kampf. „Das Gürtelsammeln hat begonnen. Jetzt kann kommen, wer will. Ich werde alle aus dem Weg räumen, um zu beweisen, dass ich der beste Boxer der Welt bin“, sagte der 27-jährige Modellathlet Freitagnacht und strahlte zufrieden in die Kameras.
Da hatte der Wirbelsturm aus Guantánamo, so sein Kampfname, gerade den Venezolaner José „Cheo“ Rojas in zehn Runden systematisch verprügelt und sich den WBA-Gürtel im Federgewicht gesichert. Schon in der ersten Runde landete Gamboa einige sehenswerte Treffer, so dass sich Rojas die folgenden neun Runden mit einem zugeschwollenen Auge den Angriffen Gamboas erwehren musste. Dann hatte Ringrichter Russel Mora endlich Erbarmen mit dem 36-jährigen Boxer aus Caracas und brach das ungleiche Duell ab. Technischer K.o. lautete das Urteil im Kampf um den Interimstitel der WBA im Federgewicht, und den will Gamboa nun nicht mehr hergeben.
Weitere Gürtel, etwa den vom IBF-Champion Cristobal Cruz, hat Gamboa im Visier. Ohnehin kann es dem 1,65 Zentimeter großen Kraftpaket nicht schnell genug gehen. Noch nicht mal zwei Jahre sind seit seinem ersten Profikampf vergangen, schon kann er sich den ersten Weltmeister-Gürtel umhängen. 15 Kämpfe hat der Mann vom Hamburger Arena-Boxstall in dieser Zeit bestritten, alle gewonnen und dabei zwölf seiner Gegner vorzeitig auf die Bretter gelegt.
Allerdings ist es nicht nur der Punch des Kubaners der Boxkommentatoren wie das Publikum fasziniert, sondern auch sein provokanter Stil. Gamboa lässt nur zu gern mal die Deckung fallen und tänzelt dann grazil durch den Ring, um im nächsten Moment den Gegner mit einem Hagel von irrwitzig schnellen Kombinationen einzudecken. Dem waren bisher nur wenige Gegner gewachsen und damit sich das nicht ändert, ist der Familienmensch aus dem wilden Osten Kubas auch bereit, sich zu quälen.
Das war schon so als Gamboa noch für die kubanische Nationalstaffel boxte und 2004 in Athen die Goldmedaille im Fliegengewicht holte. Seitdem hat Gamboa an Muskelmasse zugelegt, ist in den Gewichtsklassen aufgestiegen und will das auch weiter tun. „Es gibt viele Boxer, die in höhere Gewichtsklassen aufgestiegen sind. Ein Beispiel ist Manny Pacquiao, ein anderes Oscar de la Hoya.“
Hochkaräter, die Gamboa zu seinen Idolen zählt, und bei seinem Hamburger Boxstall wird schon spekuliert, ob Gamboa nicht in die Fußstapfen vom „People’s Champion“ de la Hoya treten könnte. In Szene zu setzen weiß sich Gamboa nicht nur im Ring. So post er außerhalb der Ringseile schon mal mit schwerem Goldschmuck und dicker Rolex, verliert dabei aber nicht die Bodenhaftung.
Dafür sorgt Coach Ismael Salas. Den kennt Gamboa von klein auf und nachdem er seinen Profivertrag bei Arena unterschrieb, ließ er Salas sogleich einfliegen, um sich von ihm trainieren zu lassen. Kein Zufall, denn Salas gehörte zum Trainerkollektiv der kubanischen Nationalstaffel bevor er die Insel 1992 verließ und ist ein guter Freund von Vater Gamboa. Der ist genauso wie die Brüder und die Mutter längst bei Sohnemann Yuriorkis in Miami untergekommen, denn ohne die Familie geht nichts bei Yuriorkis Gamboa. Von Schnellbooten abgeholt, gelangten die Familienmitglieder über Mexiko in die USA.
Dorthin – genauer nach Miami – siedelte auch Yuriorkis Gamboa Ende 2007 über, nachdem er rund ein halbes Jahr in Hamburg gelebt und trainiert hatte. Für seinen Boxpromoter Ahmet Öner eher Vor- denn Nachteil, denn mit Gamboa gelang der Einstieg in den lukrativen US-Markt. Da hat der Boxstall mit dem Weltergewichtler Selcuk Aydin und dem kubanischen Schwergewichtler Odlanier Solís mindestens zwei weitere Asse im Ärmel. Doch vorerst ist der so spektakulär boxenden Gamboa – dank der enthusiastischen Kritiken – das wichtigste Zugpferd auf dem US-Markt.
Dessen nächster Kampf könnte jedoch mal wieder in der alten Welt stattfinden. Arena will den ersten Weltmeister aus dem eigenen Stall nur zu gern auch hierzulande vorzustellen – und sei es nur, um den beiden großen Konkurrenten, Universum und Sauerland, zu zeigen: Hallo, hier sind wir!
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