„Hatten die alle Angst?“

Im taz-Interview verrät Winfried Schäfer, warum er Kamerun, heute Testspielgegner der DFB-Elf, schon 30 Jahre trainiert – und warum er nicht versteht, dass niemand Bundestrainer werden wollte

INTERVIEW OLE SCHULZ

taz: Herr Schäfer, wenn es so weiter geht, brechen sie mit Kamerun noch persönliche Rekorde: Seit über drei Jahren sind Sie jetzt schon als Nationaltrainer der „unzähmbaren Löwen“ tätig, länger waren Sie nur beim Karlsruher SC …

Winfried Schäfer: Stimmt. Und das ist unglaublich schwer. In Afrika sind drei Jahre wie zehn in Deutschland.

Vor ihrer Verpflichtung verschliss Kamerun fünf Trainer in anderthalb Jahren. Wieso halten Sie sich so lange?

Wenn ich jetzt etwas Positives über mich sage, ist es vielleicht negativ für die anderen, aber das ist mir egal: Ich bin fleißig und das, was ich tue, tue ich für Kamerun. Ich versuche zu helfen, will aber nicht als der Besserwisser auftreten. Zum Beispiel entwickle ich Konzepte, wie man eine professionelle Liga gründen könnte. So habe ich schon mal drei Jahre überlebt – und dabei eine neue Mannschaft aufgebaut, in der sieben ehemalige U23-Spieler stehen. Das ist eine Mannschaft mit großer Zukunft.

Für die WM in Deutschland muss sich Kamerun allerdings noch qualifizieren. Mit der Elfenbeinküste und Ägypten haben Sie schwere Gegner und stehen nach fünf Spielen mit acht Punkten nur an dritter Stelle.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die WM-Qualifikation noch schaffen werden. Aber das geht nur, wenn wir alle zusammenhalten – und mit alle meine ich nicht nur die Mannschaft, sondern auch das ganze Umfeld.

Der Durchbruch des afrikanischen Fußballs wird schon lange prophezeit. Doch nachdem Kamerun bei der WM 1990 als erste Mannschaft des Kontinents ins Viertelfinale einziehen konnte, haben afrikanische Mannschaften auf internationaler Bühne nicht mehr viel gewonnen. Warum nicht?

Was die afrikanischen Mannschaften immer wieder am Erfolg hindert, ist die mangelnde Disziplin. Wenn es die afrikanischen Mannschaften lernen, ihre Organisation zu verbessern, dann bin ich davon überzeugt, dass bei der WM 2010 in Südafrika zwei afrikanische Teams ins Halbfinale kommen – aber nur dann. Sie müssen lernen, alles, was sie an Talent, Inspiration und Kraft haben, in einer guten Organisation zu bündeln.

Sie leben überwiegend in Ettlingen. Wie können sie von Deutschland aus die Geschicke der kamerunischen Nationalmannschaft lenken?

Die Spieler sind ja fast alle in Europa tätig. Deutschland ist meine Zwischenstation, von wo aus ich die Spieler beobachte – in Barcelona, London, Manchester, Istanbul oder auch in Kaiserslautern. Ich besuche meine Spieler regelmäßig, schon deshalb, weil keinesfalls alle in ihren Vereinen immer zum Einsatz kommen. Einen Stammplatz haben Samuel Eto’o und Rigobert Song, dann wird’s schon schwierig. Die Spieler brauchen mich, damit ich sie unterstütze.

Ihr Vertrag wurde vorzeitig bis 2006 verlängert, allerdings mit der Auflage, dass Sie häufiger nach Kamerun kommen.

Ich habe jetzt eine Wohnung in Yaounde. Doch wenn ich die ganze Zeit in Kamerun bliebe, wäre ich genauso weit weg von der Nationalmannschaft wie Klinsmann, wenn er in den USA ist.

Kurz nach ihrer Vertragsverlängerung wurden Sie in den Ettlinger Gemeinderat gewählt. Was genau macht der Kommunalpolitiker Schäfer?

Wir von der Bürgergemeinschaft „Für Ettlingen“ haben erkannt, dass wir etwas tun müssen, weil in der Innenstadt immer mehr Geschäfte schließen – das große Kaufhaus, der einstige Mittelpunkt Ettlingens, folgt beispielsweise demnächst. Wir haben gemerkt, dass wir nicht immer nur schimpfen können, sondern selbst Hand anlegen müssen.

Welchem politischen Lager ist die Wählergemeinschaft „Für Ettlingen“ zuzurechnen?

Keinem. Im Grunde bin ich ja CDU-Mann, aber wenn man merkt, dass die CDU hier nur blockiert, dann muss man das ändern. Wenn jetzt die Grünen kommen mit einem Supervorschlag, dann bin ich der Erste, der sagt: Das ist ’ne tolle Sache, das hilft Ettlingen. Ich bin weder links noch rechts, sondern für das, was für Ettlingen gut ist.

Oliver Kahn hatte sie als Bundestrainer-Kandidat in die Diskussion gebracht. Wie groß war Ihr Interesse?

Ich war zumindest an einem Gespräch interessiert. Der Posten des Bundestrainers ist etwas Besonderes, und Deutschland ist eine Fußballmacht, auch wenn wir gerade hinten dranhängen. Für mich war es jedenfalls unvorstellbar, dass es keiner machen wollte. Hatten die etwa alle Angst, dass wir nicht genügend Talente haben? Ich glaube, man muss die Talente nur kennen, so wie die zwei Jungs, die in der Premier League sind, Robert Huth und Thomas Hitzelsberger. Ich kannte sie, weil ich mir auch in England Spiele anschaue.

Im Gegensatz zu den jungen Trainern à la Klinsmann oder dem Portugiesen Mourinho von Chelsea gehören sie eher zur Riege der „alten Hasen“. Was macht einen guten Trainer aus?

Er muss fleißig und ehrlich sein – und Ahnung vom Fußball haben. Aber das Wichtigste ist: Der Trainer ist nur so stark wie ihn der Vorstand macht. Im Übrigen muss ein guter Trainer nicht unbedingt dreimal Meister geworden sein, er kann eine Mannschaft auch dreimal vorm Abstieg gerettet haben. Außerdem muss er die A- und B-Jugend seines Vereins kennen. Das ist die Basis. Ich kannte alle meine Jugendspieler. Kahn oder Scholl, das waren ja alles meine Jungs.

Sie selbst haben nun mit Vital Mevengue nur einen einzigen jungen Spieler nominiert, der noch in Kamerun spielt. Wo sind die Talente Kameruns?

Unser Torhüter Kameni, ein 20-Jähriger von Espanyol Barcelona, ist zurzeit der beste Keeper Spaniens. Oder nehmen wir den 21-jährigen Mittelfeldspieler Jean Makoun, der gerade im Uefa-Cup mit Lille gegen Aachen gespielt hat. Den 20 Jahre jungen Pierre Boya von Partizan Belgrad kannte ich bisher hingegen auch nur vom Hörensagen. Alexandre Song, den erst 17-jährigen Neffen von Rigobert Song, kenne ich hingegen aus der U17-Auswahl. Ihn habe ich eingeladen, weil er bei Bastia schon eine wichtige Rolle spielt. Doch auch die meisten anderen meiner Spieler sind junge Burschen, die am Anfang ihrer Karriere sind, obwohl sie schon bei großen Vereinen unter Vertrag stehen, so wie Djemba-Djemba von ManU. Die müssen sich erst noch etablieren.

Samuel Eto’o vom FC Barcelona hingegen hat den Durchbruch endlich geschafft.

Eto’o ist ein außergewöhnlicher Stürmer, er wird ein ganz Großer. Das einzige, was er nicht hat, ist ein guter Kopfball. Ich bin gespannt auf seine Leistung gegen Deutschland.

Wie geht es aus?

Ich will, dass wir so aufspielen, dass die Leute sagen: „Verdammt, hoffentlich schaffen es die Kameruner zur Weltmeisterschaft.“