Eltern nach vorn!

In Bayern kollidiert der CSU-Sparkurs mit dem Plan, das achtjährige Gymnasium einzuführen. Jetzt müssen Schulen auf Eltern als Aushilfslehrer zurückgreifen

VON JÖRG SCHALLENBERG

Eltern, deren Kinder das Münchner Michaeli-Gymnasium besuchen, bekamen vor ein paar Tagen ungewöhnliche Post. „Ich darf Eltern“, schrieb Schuldirektor Henrik Rehn, „die bereit wären, für einen längeren Krankheitsfall auszuhelfen, bitten, sich bei mir schriftlich unter Angabe der Unterrichtsfächer zu melden.“ Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, fügte er noch hinzu, diese Aufforderung sei „keinesfalls als Scherz zu verstehen“.

Denn es gibt gute Gründe für die Aktion: Zu Schulbeginn hat das bayerische Kultusministerium unter Monika Hohlmeier kurzerhand eine erste vor wenigen Jahren eingeführte „mobile Reserve“ an Lehrern aufgelöst, die bislang bei Engpässen in der Unterrichtsversorgung aktiviert wurde. Die dafür geschaffenen 150 Stellen, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums, sind nun „in reguläre Unterrichtsstunden“ an verschiedenen Schulen eingeflossen – mit dem Resultat, dass Schulleiter aus Bayern reihenweise über schwerwiegende Personallücken klagen.

Doch Ministerin Hohlmeier steckt in einer Zwickmühle: Wegen des rigiden Sparkurses der CSU-Regierung musste die Zahl der Neueinstellungen von Lehrern zurückgefahren werden – auf der anderen Seite aber hat die Strauß-Tochter trotz massiver Kritik von Eltern und Lehrern ihren ehrgeizigen Plan durchgesetzt, bereits in diesem Schuljahr das achtjährige Gymnasium einzuführen. Zwar wird das so genannte G 8 allgemein begrüßt – doch es existieren wegen allzu kurzer Vorbereitungszeit noch keine verlässlichen Lehrpläne oder überzeugenden Ideen, wie man den nötigen Lehrstoff in der verkürzten Schulzeit unterbringen kann. Klar ist bislang nur, dass sich der Stundenplan erheblich ausdehnen wird und viel mehr Unterrichtsstunden als bislang zu leisten sind. „Der Bedarf an Lehrern“, sagt der Pressesprecher des bayerischen Philologenverbandes, „wird sich während der Einführungsphase in den kommenden Jahren kontinuierlich erhöhen.“

Die „mobile Reserve“, so bestätigt das Kultusministerium, ist dem G 8 bereits zum Opfer gefallen. Dazu, ob es trotz Sparkurs dringend benötigte Neueinstellungen geben wird, möchte sich im Hause Hohlmeier zurzeit niemand äußern. Eltern als Aushilfslehrer kann sich Ministeriumssprecherin Claudia Piatzer dagegen gut vorstellen – sofern sie „über die entsprechende akademische Vorbildung“ verfügen. Und CSU-Fraktionssprecher Joachim Hermann wertete die Notlösung im Landtag frohgemut als Zeichen für eine „aktive Bürgergesellschaft“. Elternvertreter empfinden solche Äußerungen allerdings eher als zynisch, während der bayerische SPD-Fraktionschef, Franz Maget, von einer „bildungspolitischen Bankrotterklärung“ spricht. Das hört man nicht gern in Bayern, wo sich die Staatsregierung nach den vergleichsweise guten Pisa-Ergebnissen stets als Avantgarde der Wissensvermittlung geriert.

„Die personellen Engpässe an den Gymnasien dürfen nicht schöngeredet werden“, wettert dagegen Max Schmidt, der Präsident des Philologenverbandes, und Eltern sollten keinesfalls als „billiger Lehrerersatz“ herhalten. Schmidt weiß, wovon er spricht – im Hauptberuf leitet er ein Gymnasium in Grafing bei München, wo jüngst „ein naturwissenschaftlich vorgebildeter Vater“ vier Wochen lang den Physik-Unterricht in der Unterstufe übernehmen musste.

Das neue Bayern-Modell trägt Früchte: In Kempten unterrichtet eine Mutter bereits seit Wochen Englisch, und am Michaeli-Gymnasium haben sich, so teilt die Schule mit, schon sechs Eltern bereit erklärt, in die Bresche zu springen. Mal sehen, wann man in Bayern auf die Idee kommt, Lehrer ganz einzusparen.