Wahlkampf mit Chinesen und Jamaikanern

Oettinger gegen Schavan: Beim ersten Duell um die Gunst der CDU in Baden-Württemberg unterscheiden sich die beiden Ministerpräsidenten-Kandidaten inhaltlich nur wenig. Oettingers wichtigster Trumpf: Er ist Familienvater

SCHWÄBISCH GMÜND taz ■ Franz Dettinger ist mit einem traktorähnlichen Kleinlastwagen gekommen. Lieber hätte er für den Besuch der CDU-Regionalkonferenz in Schwäbisch Gmünd das Auto genommen, aber er käme „direkt vom Schaffe“ im benachbarten Straßdorf. Dettinger sagt, er wolle Kultusministerin Annette Schavan helfen, neue Ministerpräsidentin Baden-Württembergs zu werden: „Frau Schavan braucht hier jede Unterstützung.“ Wohl wahr.

Während Dettinger noch einen Parkplatz sucht, wird Schavans Gegenkandidat Günther Oettinger schon von beschutzbrillten Waldbauern mit Kettensägen in den Händen empfangen. Die kurze Parole „Ausgleichszulage erhalten“ des CDU-Fraktionschefs in Richtung der Bauern sorgt für Applaus, Glühwein wird gereicht. Oettinger scheint jeden beim Namen zu kennen und krächzt erkältungsbedingt Grüße zum anwesenden Roten Kreuz. Er zeigt noch kurz seine auf Büttenpapier handschriftlich verfasste Rede, bevor er die etwas verlassen wirkende Rivalin Schavan trifft. Blitzlichtgewitter, 1.200 Besucher und mehr als 80 Journalisten – die Regionalkonferenzen mit den Bewerbern um die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel sind ein innerparteilicher Schlagabtausch, wie man ihn bisher eher aus den USA kannte. Oettinger darf beginnen und dreißig Minuten Werbung in eigener Sache machen, Schavan muss derweil draußen bleiben. Handgemalte Plakate der Schülerunion für Oettinger zieren den Saal und lassen den Rückhalt in den Gliederungen der Südwestunion für ihn erahnen.

Es vergehen keine dreißig Sekunden am Rednerpult, schon zählt Teufels langjähriger Kronprinz die Stationen seines schwäbischen Lebens auf. Die Strategie ist klar: Er ist einer aus dem Ländle, er hat Familie, und er ist in der Landespolitik zu Hause. Oettinger spricht von der Verkehrsanbindung, den Gemeindefinanzen und den Problemen der Bauern, und er erklärt die Welt in einfachen Bildern: „Der Chinese steht früher auf als wir. Wir müssen dem Ziel der Beschäftigung bei uns alles unterordnen.“ Wegen der demografischen Entwicklung brauche man außerdem mehr Familie und ein kinderfreundliches Land. Stehende Ovationen.

Dann tritt Annette Schavan in den Ring. Unterschiede im Inhalt gibt es kaum. Neben der wirtschaftlichen Krise gebe es in Deutschland auch eine kulturelle Krise, die mit Orientierungslosigkeit verbunden sei, sagt sie und verteidigt den Tag der Deutschen Einheit: „Außer in Nepal und auf Jamaika kommt niemand auf der Welt auf die Idee, solch einen hirnrissigen Vorschlag wie die Abschaffung des 3. Oktober zu machen.“ Einig zeigt sie sich mit Oettinger auch in der Frage einer längeren Wochen- und Lebensarbeitszeit. Und doch gibt es Unterschiede. Die promovierte Theologin spricht über das Wirtschaftsklima und christliche Werte, der Jurist über seinen „sechsjährigen Bub“. Oettinger erwähnt die Verkehrsanbindung von Schwäbisch Gmünd nach Stuttgart, Schavan redet über Staatsquote und Steuern.

„Annette Schavan sollte Politik auf Bundesebene machen und Oettinger kümmert sich um die Probleme des Landes“, begründet Herbert Schmid aus Giengen seine Präferenz für Oettinger. Die Fragen der Basismitglieder an die Kandidaten reichen von den Kommunalfinanzen bis zur Stammzellforschung. Unterschwellig lassen sich Seitenhiebe auf Schavans Lebenssituation heraushören. „Ich lebe alleine, wie Sie jeden Tag in der Zeitung lesen können. Aber ich komme schon aus einer Familie“, kontert sie. Unterdessen kursieren Flyer, die angebliche Enthüllungen über die Kandidaten zu Tage bringen sollen. Diese werden von den Ordnern schnell eingesammelt. Am 30. November endet die Mitgliederbefragung. Zwei Tage später soll das Ergebnis veröffentlicht werden und am 11. Dezember trifft man sich wieder in Schwäbisch Gmünd: zum Wahlparteitag.

MARTIN U. MÜLLER