Jobmessen in der Krise

Die Firmenkontaktmessen leiden unter der Konjunkturflaute. Statt Traumjobs werden Informationen und Praktika geboten. Der Markt ist um 40 Prozent geschrumpft. Doch es gibt auch noch „bombensichere“ Arbeit

„Angel dir deinen Traumjob“, verkünden die Plakate der Jobmesse „Bonding“ an der Technischen Universität Berlin. Hunderte Studenten sind gekommen und auf eine Stelle durch direkten Kontakt zu den Unternehmen. Die meisten Firmenstände sind von Menschen umringt. Ob BMW oder BSR, überall lautet die Frage, in welchen Bereichen denn noch eingestellt wird. Die Antworten sind auch oft gleich: „Da wird derzeit nichts angeboten … wir stellen gerade nicht die Massen ein … aktuell ist nichts ausgeschrieben.“

Das Meer von Jobs auf dem Plakat ist in der Realität zu einer Pfütze geschrumpft, und auch die Firmenkontaktmessen leiden unter der Konjunkturkrise. Die FHW Messe wurde aus Mangel an Ausstellern abgesagt, andere Veranstaltungen finden nicht mehr jedes Semester, sondern nur noch einmal jährlich statt. „Der Markt für Firmenkontaktmessen ist um 40 Prozent eingebrochen“, sagt Oliver Nitsch. „Die Abteilungen für Hochschulmarketing sind in allen Unternehmen abgebaut oder verkleinert worden.“ Nitsch ist Messeleiter von „connecticum“, dem einzigen kommerziellen Veranstalter aus Berlin. Viele andere Jobmessen, wie die „Bonding“ an der TU Berlin, werden von Studenteninitiativen organisiert. 48 Unternehmen präsentieren sich hier, im Jahr 2000 waren es mehr als 100.

„Vor zwei Jahren waren wir noch auf viel mehr Messen“, sagt auch Anke Balkenhol am Stand von Texas Instruments. „Das wurde aus Kostengründen zurückgefahren.“ Ansonsten heißt es auch hier: „Absolventen können wir im Moment nichts anbieten.“ Geboten werden Praktika und die Möglichkeit, seine Diplomarbeit bei dem Unternehmen zu schreiben. Außerdem gibt es wie an den anderen Ständen noch den Tipp, regelmäßig auf der Website nach Ausschreibungen zu schauen.

„Ich kann es eigentlich aufgeben, auf Messen zu gehen,“ sagt Antje Schneider entnervt. Die Berlinerin ist momentan Praktikantin, und ihr Diplom hat sie seit einem Jahr. Seitdem sucht die Betriebswirtin Arbeit und klappert unter anderem alle Firmenkontaktmessen ab. „Meine Bewerbung ist gar nicht so schlecht“, sagt Antje Schneider: „Verschiedene Praktika, zwei Auslandsaufenthalte und Noten mit einer Eins vor dem Komma. Trotzdem will mich keiner.“

Die Probleme kennt auch Oliver Nitsch als Veranstalter. Es sieht den Nutzen der Kontaktmessen im Moment auch weniger darin, einen Job zu finden. „Ideal ist es aber für Studenten“, da sie an einem Tag mit verschiedensten Personen aus Personal- und Fachabteilungen sprechen können. „Viele machen das erst, wenn sie fertig sind, und stellen dann fest, was sie vielleicht falsch gemacht haben.“ Auf den Messen kann man fragen, welche Studienschwerpunkte gefragt sind, und aktuelle Trends erfahren. „Seine Diplomarbeit in einem Unternehmen zu schreiben ist beispielsweise sehr gern gesehen“, sagt Nitsch, „und es gibt so viele Traineestellen wie noch nie.“ Die Trainee-Programme für Berufseinsteiger sind eine Art Ausbildung im Unternehmen nach dem Studium. Von Studentenseite beobachtet Nitsch eine verstärkte Nachfrage nach „Sicherheit bietenden“ Stellen im öffentlichen Dienst. „Bei der connecticum war das Amt für Wehrtechnik sehr stark umlagert.“

Auf den Messen werden weniger Jobs vermittelt als vielmehr Informationen. Man kann einen ersten Kontakt zu den Unternehmen herstellen, die für Studenten oft eine Black Box sind. Dabei erfährt man von Tätigkeitsbereichen und Stellenanbietern, auf die man sonst vielleicht nicht kommen würde. Beispielsweise das auch in der TU vertretene Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung.

Skeptisch oder lachend betrachten die „Bonding“-Teilnehmer die Werbetafeln für „Facharbeiter im Waffen- und Munitionswesen“ und die Computerpräsentation „Minenjagd 2000“. Möglichst unauffällig nimmt sich ein langhaariger Student mit Bundeswehrrucksack eine Broschüre. Für Ingenieure werden Stellen im Schiffbau oder in der Elektronik geboten. „Die haben 100 Stellen pro Jahr und 120 Bewerber“, berichtet Philipp Dedié von seinem langen Gespräch am Stand. Munitionserprobung ist zwar nicht der Traumjob des Physikstudenten, doch „die Entwicklung von Sonargeräten klingt schon interessant“. Wenn er also später gar nichts anderes findet, ist das Bundesamt für Dedié „zumindest eine Option“.

OLIVER VOSS