Ein Bildungsforum für Sprachlosigkeit

Die GEW lädt rot-rote Politiker zur Diskussion über die Bildungspolitik ein. Dabei beharren beide Seiten auf ihrem jeweiligen Standpunkt. Immerhin hat man mal wieder miteinander geredet – wenn auch aneinander vorbei

Das Verhältnis ist gestört: Seitdem die Tarifverhandlungen zwischen dem Senat und der Gewerkschaft für Erziehung und Wissensschaft (GEW) letztes Jahr gescheitert sind, findet kaum noch Kommunikation zwischen den Kontrahenten statt. Dabei gäbe es genug Strittiges zu klären. Zuletzt sorgte das Vorhaben von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) für Unmut, die Hortbetreuung von den Kitas an die Schulen zu verlagern, weil es nach Ansicht der GEW dafür bisher kein durchführbares Konzept gibt. Der Senat wiederum ist beleidigt vom Engagement der GEW für ein Volksbegehren, das seine Abwahl zum Ziel hat. Ein weiteres Reizthema sind die geplanten Einsparungen im Bildungsbereich.

Die GEW unternahm gestern den ersten Schritt aus dieser Sprachlosigkeit: Zu ihrer Landesdelegiertenversammlung lud sie Vertreter der rot-roten Koalition aufs Podium. Für die PDS trat Haushaltsexperte Carl Wechselberg an, die SPD schickte ihren Fraktionsvize Karlheinz Nolte ins Rennen, der ihr als Oberstudienrat und Ex-GEW-Mitglied wohl besonders geeignet erschien. Er konnte jedoch ebenso wenig wie sein Kollege vom Koalitionspartner nennenswerte Erfolge bei den Gewerkschaften verbuchen.

Der GEW-Landesvorsitzende Ulrich Thöne machte unter lautem Beifall der Delegierten den Standpunkt der Gewerkschaft klar. Mit derartigen Begeisterungsstürmen konnten Nolte und Wechselberg naturgemäß nicht rechnen. Noltes eintönig vorgetragene Rede wurde von häufigen Zwischenrufen begleitet. Die Aussage, der Senat habe „eine Priorität in punkto Bildung“ gesetzt, quittierten die Gewerkschaftler mit höhnischem Gelächter. Nolte fuhr jedoch unbeirrt fort, seine Aufforderung zur Einsicht in die finanziellen Nöte des Landes zu wiederholen.

Viel mehr an Argumenten konnte auch sein Leidensgenosse Wechselberg, der gar an dem von der GEW zugesicherten „freien Geleit“ zweifelte, nicht anbieten. Zwar grenzte er sich von den „rhetorischen Figuren“ seines Kollegen ab und versprach, Klartext zu reden. Statt sich mit den inhaltlichen Streitpunkten auseinander zu setzen, erörterte er aber lieber das seiner Meinung nach zum Scheitern verurteilte Volksbegehren.

Ausführlich widmete er sich auch dem von der Lehrergewerkschaft gezogenen Vergleich von Senator Böger mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Hintergrund dafür war, dass Bildungssenator Böger kurzerhand die Arbeitszeitverordnung für Lehrer geändert hatte, um die Stundenverringerung für ältere Kollegen abzuschaffen. Zuvor hatte ein Gericht dies als nicht rechtmäßig beurteilt.

Die anschließende Diskussion hatte den Namen nicht verdient. Anstatt in konstruktivem Gespräch Sachfragen zu besprechen, beschränkten sich beide Seiten darauf, ihre Standpunkte mehrmals zu wiederholen. Zum Sparkurs des Senats gebe es keine Alternative, beharrten Nolte und Wechselberger. Was man heute an Bildungskosten einspare, müsse man morgen für neue Gefängnisse ausgeben, hielt eine Delegierte dagegen. Die Alternativen zu Rot-Rot seien noch schlimmer, mahnten die Abgeordneten. Alternativlosigkeit sei keine ausreichende Legitimation, erwiderten die Delegierten, zumeist Lehrer. Die hatten den Vorteil, langes Reden gewohnt zu sein und glänzten mit vorbildlichen Veranschaulichungen. Zur inhaltlichen Klärung trug dies letztlich aber auch nicht wesentlich bei. OLIVER MARQUART