Frauen im Niemandsland

Im Prozesse um illegale Prostituierte aus Osteuropa, die auch Michel Friedman bestellte, erweist sich, wie schwierig die polizeilichen Ermittlungen sind. Die Frauen haben Angst

BERLIN taz ■ Dem Kokainkonsumenten Michel Friedman ist zu verdanken, dass illegale Prostituierte und Rotlicht-Kommissionen der Polizei für kurze Zeit viel Aufmerksamkeit bekommen. Journalisten füllen die Verhandlungssäle im Berliner Prozess gegen Borys B. und andere mutmaßlichen Menschenhändler, über die Friedman Prostituierte bestellte. Und die Öffentlichkeit musste gestern am vierten Verhandlungstag auch nicht wie sonst den Saal verlassen, sobald es um Heikles ging. Damit will das Gericht Spekulationen im Fall Friedman verhindern.

Um Friedman geht es aber kaum noch. Viel interessanter ist, was die Zeugen über den Berliner Callgirl-Ring und die Ermittlungen aussagen. So erfuhren die Zuhörer durch die Aussage eines Polizisten, wie schwer die Sonderkommissionen gegen den Menschenhandel vorankommen.

Die Opfer unterscheiden sich von legalen Prostituierten nur dadurch, dass sie keine oder keine echten Pässe haben, dass sie bedroht werden oder in Wohnungen eingesperrt sind. Keines dieser Anzeichen kann ein Polizist auf Streife ohne weiteres bemerken. Selbst Razzien haben wenig Erfolg. Sie sind sowieso nur sinnvoll, wenn die Polizei an vielen Orten gleichzeitig „zuschlägt“, dafür aber fehlt oft das Personal. Zudem haben die Prostituierten Angst und sind daher nicht kooperationswillig. „Sie glauben erst mal, dass die Polizei hier genauso korrupt ist wie in ihren Heimatländern, und dann wird ihnen oft weisgemacht, viele ihrer Kunden seien Polizisten in Zivil“, sagt Nivedita Prasad von „Ban Ying“, einer Organisation gegen Menschenhandel.

Nur die Telefonüberwachung führt gelegentlich zu Polizeierfolgen – und die Befragung von aufgegriffenen Prostituierten. Lassen die Zuhälter eine osteuropäische Frau frei, wird sie mitunter gleich wieder vom Bundesgrenzschutz festgesetzt. Denn weil die Ausbeutung der Frauen meistens damit beginnt, dass man ihnen ihre Pässe wegnimmt, können sie auch bei der Rückreise in ihre Heimat keine gültige Aufenthaltserlaubnis für Deutschland vorweisen. Das wiederum ruft bei der Ausreise den Bundesgrenzschutz auf den Plan – die Frauen werden festgenommen, weil sie sich eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz verdächtig machen.

Mit der Festnahme gewinnt die Polizei Zeit, um die Frauen zu einer Aussage zu bewegen. Allerdings führt das dazu, dass die Frauen nicht als hofierte Zeuginnen der Anklage zur Polizei kommen, sondern als Beschuldigte. Außerdem, berichtet Prasad, „wollen die Frauen eigentlich immer sofort nach Hause“. Dann könnten sie nämlich behaupten, sie hätten nicht mit der deutschen Polizei kooperiert. Wenn dagegen zwischen ihrer Entlassung durch die Zuhälter und der Heimkehr nur ein paar Tage lägen, seien ihre Familien manchmal bereits bedroht worden.

Besser für die Frauen ist deshalb, wenn die Polizei zu einer anderen gängigen Methode greift. Ein Polizist „bestellt“ sie zum Schein in ein Hotel, um sie bei Ankunft sofort festzunehmen und dann einer der NGOs zuzuführen, die sich um sie kümmert. Nach ihrer Festnahme haben die Frauen dann eine „Bedenkzeit“, in der sie sich für oder gegen eine Aussage vor Gericht entscheiden können.

Allerdings gibt diese Bedenkzeit den Tätern ein Verteidigungsmittel an die Hand. Der Anwalt von Borys B. unterstellt, die Frauen würden sich mit ihrer Aussage einen legalen Aufenthalt in Deutschland sichern. Glaubwürdig wären die Aussagen dann nicht mehr.

Dagegen spricht, dass die Zeuginnen in Menschenhändlerprozessen nicht dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen, es sei denn das Landeskriminalamt stellt fest, dass sie in ihrer Heimat nicht mehr sicher leben können. Von den vier Zeuginnen im Prozess gegen Borys B. müssen drei Deutschland verlassen. Nur die Hauptbelastungszeugin wird bleiben. Sie heiratet einen ehemaligen Stammfreier und deutschen Staatsbürger.

MAREKE ADEN