Im CIA herrscht schlechte Stimmung

Im amerikanischen Geheimdienst treten hochrangige Mitarbeiter gleich reihenweise zurück. Dafür wird der neue Chef Porter Goss verantwortlich gemacht. Aber die Schlapphüte sehen sich auch als Sündenböcke für die Fehler der Bush-Regierung

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Im amerikanischen Geheimdienst CIA wird der Aufruhr geprobt. Manche US-Medien sprechen gar von einem „Krieg innerhalb der Behörde“. Reihenweise nehmen hochrangige Spione ihren Hut. Andere lassen ihrem Unmut in der Presse freien Lauf. Die Stimmung im Hauptquartier außerhalb von Washington ist auf einem Tiefpunkt.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht der neue CIA-Chef Porter Goss. Er wurde im September von Präsident George W. Bush nach dem Rücktritt des langjährigen Direktors George Tenet nominiert. Dieser war nach massiver Kritik an der Behörde über Fehleinschätzungen vor dem 11. September zu irakischen Waffenprogrammen abgetreten. Goss trat mit dem Versprechen an, den Geheimdienst nach den folgenschweren Pannen radikal umkrempeln zu wollen.

Viele Fachleute sind der Ansicht, ein solcher Umbau funktioniert nur mit den altgedienten, erfahrenen Mitarbeitern und nicht gegen sie. Doch nun gehen ausgerechnet die Erfolgreichen, nicht die Versager. So dankte am Montag der für die Auslandsoperationen zuständige Stephen Kappes ab und mit ihm sein Stellvertreter Michael Sulik. Kappes hatte sich geweigert, seinen Vize zu feuern. Beide gelten in Geheimdienstkreisen als angesehene Mitarbeiter. Kappes erwarb sich Ruhmesblätter, als er Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi mit überzeugte, sein Atomwaffenprogramm aufzugeben. Auch Michael Scheuer, Leiter der „Ussama-bin-Laden-Einheit“, warf am Freitag das Handtuch. Er sorgte im Sommer mit seinem Buch „Warum der Westen den Kampf gegen den Terror verliert“ für Aufsehen und forderte weitreichende Reformen innerhalb des CIA.

Der Aderlass sorgt im politischen Establishment für Aufregung. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die ganze oberste Führungsriege erfahrener Beamter verlieren“, sagte der republikanische Senator Chuck Hagel. Die demokratische Abgeordnete Jane Harman, die für ihre Partei dem Geheimdienstausschuss vorsteht, warnte davor, dass der Geheimdienst „implodieren“ könnte.

Weder Parlamentarier noch Experten wollen den Reformeifer von Goss bremsen. Die Kritik richtet sich gegen seinen Managementstil. Er soll einen Keil zwischen den neuen Führungsstab und erfahrene Kader getrieben haben. Ohne eine konstruktive Zusammenarbeit vor allem mit den Auslandsspionen, so der Tenor, gibt es keine erfolgreiche Umstrukturierung.

Das Problem sitzt jedoch weitaus tiefer: Die Behörde ist von einem massiven Misstrauen gegenüber dem neuen Boss befallen. Er wird als Werkzeug der Bush-Regierung betrachtet, der einen ihrer Ansicht nach aufsässigen CIA wieder auf Linie bringen soll. So will die New York Times am Samstag Goss’ „wahren“ Auftrag erfahren haben, den Gemeindienst von Bush-kritischen Mitarbeitern zu säubern.

Selten sahen sich die Geheimdienstler so sehr zum Sündenbock für Regierungsfehler gemacht wie unter Bush. Unvergessen ist der Sommer 2003, als Bush, nachdem sich die Geschichte über den Uran-Deal zwischen Bagdad und Niger als falsch entpuppte, den CIA beschuldigte und Tenet prompt die Verantwortung übernahm. Wenig später wurde jedoch bekannt, dass der CIA das Weiße Haus gewarnt und der Stellvertreter von Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice das betreffende Memo nicht beachtet hatte.

Die Spannungen zwischen Bush und CIA erreichten diesen Sommer einen Höhepunkt, nachdem US-Zeitungen ein geheimes Dossier veröffentlichten, das die Zukunft im Irak in düsteren Farben zeichnete. Das Weiße Haus beschuldigte den CIA daraufhin, im Wahlkampf den Ruf Bushs schädigen zu wollen.