Solo gegen Merkel

CSU-Vize Seehofer steht mit Protest gegen Kopfpauschale in Union fast allein. Merkel nennt Kurs „unumkehrbar“

BERLIN taz ■ Angela Merkel weiß, dass alle wieder genau messen werden, wie viele Minuten Beifall sie morgen auf dem CSU-Parteitag in München bekommt. Vorsichtshalber dämpft die CDU-Chefin deshalb die Erwartungen an ihren Auftritt. „Dass jetzt nicht die Stunde der allerherzlichsten Freudenfeiern über den Zustand der ganzen Partei ist, versteht sich von selbst“, sagte Merkel dem Stern.

Die Reaktionen auf den Gesundheitskompromiss der Union sind dermaßen vernichtend ausgefallen, dass sich Merkels Freunde in der CDU in Galgenhumor flüchten: „Wenn man von allen Seiten kritisiert wird, kann’s so schlecht nicht sein.“ Merkels Vize Wolfgang Bosbach hingegen ärgert sich über die Haltung der Arbeitgeber: „Wer gegen das Konzept der Union zu Felde zieht, macht damit ungewollt Propaganda für die rot-grüne Zwangs-AOK, genannt Bürgerversicherung.“ Vor allem aber beschäftigt die Union die Frage: Was macht Horst Seehofer?

Der Vize von Unionsfraktion und CSU, der sich als einziges Unions-Vorstandsmitglied glasklar gegen das Prämien-Modell ausgesprochen hat, will sich angeblich heute entscheiden, ob er zurücktritt. Die CDU-Chefin verabreichte Seehofer gestern eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Einerseits erklärte Merkel, sie „erwarte“, dass Seehofer „diese Vereinbarung zwischen CDU und CSU vertritt“. Andererseits hielt sie ihm ein Türchen offen. Er könne durchaus Gesundheitsminister in einer von ihr geführten Bundesregierung werden. Fragt sich nur, ob Seehofer das noch für eine reizvolle Perspektive hält? Schließlich befand Merkel kategorisch, ihr Kurs in Richtung Prämienmodell sei „unumkehrbar“.

Mit allzu viel Rückendeckung kann Seehofer auch in der CSU nicht rechnen. Seehofers Stellvertreter bei der Arbeitnehmer-Union CSA, Konrad Kobler, sagte der taz: „Ich hätte Verständnis dafür“, wenn Seehofer den Fraktions-Vizevorsitz abgäbe. „Mit dem Parteivize hat das ja erst einmal nichts zu tun.“ Die CSA werde auf dem Parteitag zwar mit Seehofer gegen den Merkel-Stoiber-Kompromiss stimmen. Aber an Delegierten stellt die CSA bloß 50 – von insgesamt 1.000. Und Unterstützung bei anderen Gruppen sucht sie auch nicht: „Man muss das nicht auf die Spitze treiben“, sagte Kobler.

L. WALLRAFF, U. WINKELMANN