Bahn zahlt den Nippeser Künstlern eine Auszugsprämie

Künstler und Bahn AG einigen sich, dass die Ateliers auf dem ehemaligen Ausbesserungswerk bis Mitte 2005 geräumt werden. Endgültig. Damit wird eine vier Jahre dauernde Auseinandersetzung beendet. Von der Stadt fühlen sich die Künstler allein gelassen. Ersatzateliers sind nicht in Sicht

KÖLN taz ■ Die noch verbliebenen 23 Künstlerinnen und Künstler auf dem Gelände des ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerk in Nippes müssen ihre Ateliers räumen. Doch haben sie dafür noch eine Frist bis zum 30. Juni 2005. Dies ist das Ergebnis der gestrigen mündlichen Verhandlung zwischen der Deutschen Bahn AG und den Künstlern vor dem Kölner Landgericht.

Nach den in der Vergangenheit oft ruppigen Auseinandersetzungen um Erhalt und Nutzung der Ateliers war der Ton vor Gericht diesmal überraschend einvernehmlich. In einem Vergleich, der auf einem Entwurf des Künstleranwalts Wolfgang Bröcker beruht, einigten sich beide Seiten darauf, dass die Bahn eine pauschale „Umzugsbeihilfe“ von 200.000 Euro an die Künstler auf ein Treuhandkonto einzahlt. Nach Feststellung der Räumung und Rückgabe der „kleinen Wagenhalle“, in der sich die strittigen Ateliers befinden, soll das Geld ausgezahlt werden.

Die Klagen gegen die 23 Künstler wurden zurückgenommen, doch hat die Bahn das Recht, bis zum 16. Dezember Widerspruch gegen diesen Kompromiss einzulegen. Die Klagen gegen 17 Personen, die das Gelände bereits verlassen haben, wurden zurückgenommen und sind nicht mehr Bestandteil des Verfahrens.

Joachim Röderer, Metallbildhauer, ist es „fast peinlich, dass jetzt mit der Bahn“ prozessiert wurde. Über viele Jahre sei das Verhältnis zur Eignerin des Geländes problemlos gewesen. Der in seinen Augen ominöse Kaufvertrag aus dem Jahr 1999 mit der Entwicklungsgesellschaft Köln-Nippes GbR, bestehend aus den Investoren E. Hohr GmbH und Roland Agne, habe die Bahn in Zugzwang gebracht. Die Investoren wollten die Künstler von Anfang an nicht auf dem Gelände haben. Aufgrund formeller Bestimmungen des Grundbuchrechts sind sie aber noch nicht als Eigentümer eingetragen. So ist die Bahn dazu gezwungen, stellvertretend die gerichtlichen Verhandlungen zu führen.

Die Künstler waren bereit, das Gelände zu verlassen, wenn eine Ausweichmöglichkeit gefunden würde. Kostenplanungen für ein Atelierhaus, für das eine nicht bezugsfertige Lagerhalle in der Longericher Straße umgebaut werden sollte, die ihnen von Hohr angeboten worden war, wurden 2003 vom Kulturamt der Stadt in Auftrag gegeben. Bis heute ist nichts Konkretes geschehen. Röderer stand auf eigene Initiative zuletzt im Gespräch mit dem Kulturamt über die Brasseur-Kaserne in Porz, die allerdings in Bundeshand ist.

Die Künstler haben nicht resigniert, doch das über vier Jahre lange, nervenaufreibende Verwirrspiel der Investoren aus Schikanen und Angeboten, die dann wieder zurückgezogen wurden, hat sie zermürbt. Nach wiederholter Unterbrechung der Stromversorgung wurde den Ateliers vor drei Monaten der Strom komplett abgestellt. Vor zwei Monaten das Wasser. Mittlerweile behelfen sich die Künstler mit Dieselaggregaten. Da sich die Bahn allerdings nicht imstande sieht, bis zur Räumung wieder Strom und Wasser bereit zu stellen, müssen die Künstler laut Vertrag auch nichts zahlen.

Die Künstler sind froh, dass die existentielle Bedrohung durch die Räumungsklage mit ihren finanziellen Folgen abgewendet werden konnte. Christine Santema von der Interessensvertretung „Künste im Ausbesserungswerk Nippes“ (KAN e.V.) bedauert aber, dass die Halle verloren sei, in deren Atmosphäre – „mit all den Kollegen, manchmal geliebt, manchmal gehasst“ – eine Spannung entstanden sei, „von der die Kunst lebt“. Nun drohe die Vereinzelung der Künstler. Bei den meisten käme noch deren prekäre finanzielle Situation hinzu, teure Ateliers könnten sie sich nicht leisten. Von der Stadt sei man enttäuscht. Man erwarte kein Geld, sondern neben logistischer erkennbare ideelle Unterstützung und Anerkennung. „Ein Bildhauernest wie hier, so viele Metaller, Leute, die Installationen machen, Maler, das gibt es in dieser Form in keinem anderen Atelier.“ Volker M. Leprich

Interessierte können sich morgen von 14 bis 18 Uhr und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr beim Tag der Offenen Ateliers vor Ort ein Bild der Situation machen (Kempener Str. 135).