Straßenschlachten und Debatten

Vor dem Treffen der 21 Staats- und Regierungschefs der Apec, darunter US-Präsident George W. Bush, ist Santiago de Chile zur Sicherheitsfestung ausgebaut. Protestierende geraten schon Tage vor Beginn mit der Polizei aneinander

BUENOS AIRES taz ■ Santiago de Chile gleicht dieser Tage einer Festung. Im Vorfeld des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (Apec), zu dem am Wochenende 21 Staats- und Regierungschefs in der chilenischen Hauptstadt erwartet werden, hat die Regierung die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft. Straßen sind gesperrt, Eingänge von Luxushotels verbarrikadiert und für den heutigen Freitag wurde sogar ein Feiertag dekretiert, damit die Hauptstadtbewohner über das Wochenende ans Meer fahren, die Universitäten bekamen sogar eine Woche Ferien zusätzlich.

Doch nicht alle Studenten nutzen die freien Tage, um an die Küste zu fahren. Am Mittwoch eröffneten einige von ihnen den Apec-Gipfel auf ihre Weise und lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei. Als sich die meist studentischen Demonstranten sammelten, reagierten die Sicherheitskräfte prompt: Mit Wasserwerfern und Tränengasraketen versuchte sie die Menge auseinander zu treiben. Bei anschließenden Auseinandersetzungen wurden 379 Demonstranten festgenommen. Regierungssprecher Franciso Vidal rechtfertigte die Übergriffe der nervösen Polizisten. Sie hätten so gehandelt, „wie es bei jeder nicht autorisierten Demonstration der Fall ist“, so Vidal. Schon seit Tagen gibt es regelmäßig Protestaktionen gegen den Apec-Gipfel und den Besuch von US-Präsident George W. Bush.

Für Bush ist es die erste Auslandsreise nach seiner Wiederwahl. An Häuserwänden von Santiago wird er mit den Worten empfangen: „Bush hau ab!“ Wo der US-Präsident übernachten wird, bleibt ein Mysterium. Die US-Delegation hat das komplette Hyatt-Hotel von Santiago gemietet, es ist jedoch unklar, ob der Präsident ebenfalls dort schlafen wird. Gerüchte behaupten, er würde auf einem Kriegsschiff in der Bucht der Hafenstadt Valparaiso Quartier beziehen und mit dem Hubschrauber zum Gipfel einfliegen.

„Ich bedaure es sehr, dass das Thema Sicherheit so stark präsent ist“, sagt der chilenische Innenminister José Manuel Insulza. Und fügt an: „Aber es gibt nicht mehr Polizisten als Gäste.“ Doch annähernd so viele. Auf den Straßen patrouillieren 4.000 Sicherheitskräfte. Weitere 1.000 halten sich für besondere Vorfälle bereit. Zum Apec-Gipfel angereist kamen 6.000 Delegierte, darunter Regierungsmitarbeiter, Unternehmer und Beobachter. Daher würde Insulza tatsächlich lieber ein anderes Thema diskutieren: „Für Chile ist es viel wichtiger, über unsere Beziehungen zum Pazifikraum zu sprechen“, sagt er.

Das wollen auch andere. Heute wird das chilenische Sozialforum tagen, um Alternativen zu der auf Freihandel und Privatisierung beruhenden Wirtschaftsordnung zu diskutieren. Die Mitglieder des Forums werden heute ebenfalls auf die Straße gehen, ihre Demonstration ist erlaubt „und wird friedlich bleiben“, meint einer der Organisatoren. 15.000 bis 20.000 Demonstranten erwarten die Antiglobalisierer heute Nachmittag in Santiago.

Abseits davon werden bei dem Apec-Gipfel neben Bush auch die Präsidenten Chinas, Hu Jintao, und Russlands, Wladimir Putin, erwartet. Am Wochenende wollen die Staats- und Regierungschefs der Apec über eine weitere Handelsliberalisierung im Pazifikraum debattieren. Der Apec gehören die USA, Kanada, Japan, China und Australien an, die lateinamerikanischen Pazifikanrainer Chile, Peru und Mexiko sowie die meisten Länder Südostasiens. INGO MALCHER