Den schlafenden Wärmeriesen wecken

Im Koalitionsvertrag hatte sich Rot-Grün zum Ziel gesetzt, die Wärme aus erneuerbaren Quellen zu fördern und die Kollektorflächen bis 2006 zu verdoppeln. Dafür wird die Zeit jetzt knapp. Denn noch sind die Förderinstrumente unklar

VON BERNWARD JANZING
UND BEATE STRENGE

Nur wenige Warm-Duscher können guten Öko-Gewissens genießen. Gerade mal vier Prozent des deutschen Wärmemarkts wird durch Sonnenenergie gedeckt. Das soll anders werden. „Wir müssen den schlafenden Riesen Solarwärme wecken“, forderte gestern Carsten Körnig, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft, in Berlin. Er verlangte von der rot-grünen Bundesregierung eine Gesetzesinitiative, die Wärme ebenso fördert wie den Ökostrom. Die Solarwirtschaft holte sich argumentative Schützenhilfe von der Deutschen Bank. Deren Chefvolkswirt Norbert Walter forderte: „Wir müssen zu den Erneuerbaren Energien umsteigen.“ Die Öl- und Gasvorkommen der Erde seien begrenzt und kämen aus politisch instabilen Gebieten.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) präsentierte eine neue Untersuchung, nach der die Schäden durch eine Klimaerwärmung um ein Grad allein in Deutschland 137 Milliarden Euro bis 2050 betrügen.

Derzeit haben etwa 600.000 Häuser in Deutschland Sonnenkollektoren auf dem Dach, meist Einfamilienhäuser. Finanziell lohnt sich das bisher kaum. Eine solche Anlage kostet zwischen 3.000 und 5.000 Euro, die Ersparnis bei den Energiekosten beträgt etwa 120 Euro im Jahr. Bei einer Betriebsdauer von 20 Jahren kommen die Investitionskosten nicht heraus – es sei denn die Öl- und Gaspreise steigen weiter.

Die Solarwirtschaft sieht aber ein riesiges Potenzial. Der Wärmebedarf mache 57 Prozent des Energieverbrauchs aus. „Schon mit heutiger Technik kann man davon 30 Prozent aus Sonnenenergie gewinnen“, meint Körnig. Weitere 60 Prozent könnten mit anderen erneuerbaren Energien wie Biomasse oder Wärmepumpen erzeugt werden. Im Koalitionsvertrag hatte sich Rot-Grün zum Ziel gesetzt, die Wärme aus erneuerbaren Quellen zu fördern und die Kollektorfläche bis 2006 zu verdoppeln. Das wären dann etwa 400.000 Anlagen mehr als heute.

Doch langsam wird es zeitlich eng. Das liegt auch daran, dass der Wärmemarkt komplizierter ist als der Strommarkt. Anders als Strom wird solare Wärme nicht ins Netz eingespeist, sie wird im Haus selbst verbraucht. Daher kann man Wärme nicht über eine Einspeisevergütung fördern.

Solarwirtschaft, Deutsche Bank und das DIW hielten sich mit Vorschlägen zurück, welches Instrument sich zur Förderung am besten eigne.Wichtig sei aber, dass es eine langfristige Perspektive gebe, sagte Körnig. Die derzeitige Förderung über den Bundeshaushalt mit 110 Euro pro Quadratmeter Kollektorfläche stehe angesichts der Haushaltslage auf zu wackeligen Füßen.

Doch wie lässt sich Ökowärme vergleichbar wirkungsvoll fördern wie Ökostrom? Zwei grobe Richtungen werden diskutiert. Zum einender Verordnungsweg, der die Nutzung von Ökowärme für Neubauten und Sanierungen in bestimmtem Umfang vorschreibt. Zum anderen ein Bonus- oder Quotenmodell, das wie beim Ökostrom die Mehrkosten auf die Händler fossiler Wärmeträger umverteilt.

Beide Modelle haben ihre Tücken: Der zweifellos einfachere Verordnungsweg bringt zugleich Eingriffe in die persönliche Handlungsfreiheit. Das könnte zu Akzeptanzproblemen führen.

Das Umlagemodell hingegen lässt dem Einzelnen zwar mehr Entscheidungsspielräume, doch es ist zugleich juristisch verzwickt. Das wiederum ist in Anbetracht einer starken Lobby der Öl- und Gaswirtschaft, die Wege suchen wird, ein Wärmegesetz zu kippen, riskant.

Wegen dieses Dilemmas schlägt sich derzeit auch noch keiner der Ökoenergie-Verbände auf eine der beiden Seiten. Johannes Lackmann vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kündigt an: „Das wird das Verbände-Thema der nächsten Zeit.“ In welche Richtung man am Ende gehen wird, ist zurzeit auch in der Politik noch völlig offen.