Herr Tidjani, ein Diebeskönig hinter Gittern

Ausgerechnet Nigeria jagt im Nachbarland Benin Verbrecher. Prominentester Fang: Westafrikas größter Autoschieber

COTONOU taz ■ Benins Zöllner sind schlecht drauf. Nicht einmal zur üblichen Wegelagerei können sie sich aufraffen. Das liegt wohl daran, dass ihr „König“ von den Kollegen aus Nigeria aus dem Verkehr gezogen worden ist.

Hammani Tidjani galt als König des Autodiebstahls in Westafrika. Seit seiner Festnahme Mitte September stecken das kleine Benin und sein riesiger Nachbar Nigeria in diplomatischen Verwicklungen. Denn nur allzu offensichtlich hatten Benins Mächtige und Einflussreiche ihre schützende Hand über Tidjani gehalten. Bis es Nigeria zu bunt wurde.

Heute sind die beninischen Zöllner doppelt genervt: Erst bringen die hassgeliebten Nachbarn den profitablen Grenzverkehr per Grenzschließung zum Stehen, dann verhaften sie Benins wichtigsten „Sugardaddy“. Beninische Zöllner und Gendarmen sagen einstimmig: „Es sind doch die Nigerianer, die hier die Verbrecher sind.“ Das passt in die Weltvorstellung eines Bürgers einer kleinen Nation wie Benin, die mit ihren sechs Millionen Einwohnern einer übermächtigen wie Nigeria mit 120 Millionen gegenübersteht.

Baut nicht die Hauptstraße zur Grenze nach Nigeria aus, hatten die französischen Kolonialherren Benin bei der Entlassung in die Unabhängigkeit unter dem Namen Dahomey 1960 mahnend mit auf den Weg gegeben; sonst überrollen euch eines Tages die Nigerianer. Jahrzehntelang bestand deswegen die Hauptroute für den trans-westafrikanischen Handel auf der beninischen Seite nur aus einer holprigen Sandfurche. Inzwischen ist die Straße ausgebaut – und jetzt sind die Nigerianer tatsächlich nach Benin gekommen. Hunderte Polizei- und Geheimdienstspitzel kundschaften in der beninischen Hauptstadt Cotonou die Strukturen des organisierten Verbrechens aus.

Vor allem hatten sie es auf Hammani Tidjani abgesehen, König der Autoklauer und vermutlich größter Finanzier von bewaffneten Raubüberfällen in Nigeria. Der Spitzname des Gesuchten: „Worldwide“.

Lieferant der Elite

„Worldwides“ Raubzüge erstreckten sich über ganz Westafrika und darüber hinaus. Schon seine Person ist multinational: Hammani Tidjani besitzt die Staatsbürgerschaft des nördlichen Nachbarlandes Niger, wo er herkommt. Aber Benin ist seine Wahlheimat. Und dort wurde er hofiert, denn mit den in Nigeria geklauten Luxusautos versorgte er die Elite.

Mit Benin verbindet den Enddreißiger nicht nur seine geschäftliche Beziehung. Er hat dort auch zwei Frauen gefunden, neben einer aus Niger. Seine Angetrauten leben in Cotonou in separaten Villen. Öffentlich umgibt er sich mit hübschen Konkubinen und schönen Autos.

Tidjani belieferte die besten Kreise. Und ungeniert gingen diese bei ihm auch ein und aus in dem weitläufigen Anwesen am Ufer des Atlantiks. Das Beweismaterial der nigerianischen Detektive müsste in Benin eigentlich eine Staatskrise auslösen. Aber Benin gilt als afrikanische Musterdemokratie und genießt überdurchschnittliche Entwicklungshilfe. Ganz im Einklang mit diesem Ruf sagte der Präsident Benins, Mathieu Kérékou, dass das rechtsstaatliche und demokratische System seines Landes eine Verhaftung dieses Mannes so ohne weiteres nicht erlaube.

Egal, welche Beweise die Nigerianer vorlegten: Benins Verantwortliche waren nie zufrieden. Kein Wunder. Der Sohn des beninischen Präsidenten wurde in einer geklauten Limousine gestellt. Ein in Nigeria entwendeter Mercedes-Geländewagen wurde später in Mali erkannt – gefahren von der Frau eines Ministers.

Am Tag, als schließlich das Anwesen von Hammani Tidjani in Cotonou gestürmt wurde, fanden sich dort 41 Autos mit nigerianischen Kennzeichen. An einigen hingen noch die Zulassungsnummern der nigerianischen Regierung. Einer war der oberste Dienstwagen des nigerianischen Gewerkschaftsbosses. Weitere 16 Autos waren auseinander gebaut, von weiteren 24 waren Teile vorhanden. Nigerias Sicherheitsbeamte schätzen all das als Ausbeute von ein bis zwei Tagen Raubzug in Nigeria ein. Auf das Jahr hochgerechnet käme eine fünfstellige Zahl von geklauten Autos zusammen.

Geschmierte Grenzer

Autodiebstahl läuft in Nigeria nicht so ab wie in Europa. Mit Aufknacken hält sich keiner auf. Man stiehlt mit vorgezogener Waffe. So geschah es der Tochter von Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo im April: Bei dem Überfall töteten die Angreifer zwei Kinder, den Neffen der Präsidententochter und zwei Bodyguards.

Tidjani schickte seine Jungs immer schwerbewaffnet auf Mission. In allen Teilen Nigerias wurde gewütet. Kamen die Gangster an die Grenze nach Benin, die gleich hinter Nigerias und Westafrikas größter Stadt Lagos liegt, ging alles sehr schnell. Die Zoll- und Sicherheitsbeamten waren bereits geschmiert und informiert. Dafür hatte Tidjani gesorgt.

Einmal auf einem der vielen Umschlaggelände angekommen, wurden Hinweise auf den rechtmäßigen Besitzer getilgt: Motor- und Chassisnummer, selbst die oft in sämtliche Glasscheiben und Außenspiegel afrikanischer Autos eingeritzten Kennzeichennummern – und natürlich auch Blutspuren. „Autowaschen“ nennen das die Autoexperten von „Worldwide“.

Seit Mai versuchten Nigerias Behörden, ihre beninischen Kollegen von der Schlüsselfunktion Tidjanis im organisierten Verbrechen zu überzeugen. Aber erst als Nigeria im August die Grenze schloss, reagierten Benins Behörden. Es dämmerte ihnen, dass es nicht ausreichte, Tidjani festzunehmen und am selben Tag auf Kaution freizulassen, woraufhin Tidjani mit dem zuständigen Richter in einem geklauten Auto wegfuhr.

Als die nigerianischen Beamten im Zuge von „Worldwides“ Verhaftung tagelange Razzien in dem Nachbarland starteten, wurden sie von der beninischen Bevölkerung bejubelt. Den einfachen Beninern sind die dubiosen Geschäfte und exotischen Autos nicht verborgen geblieben. Als der Präsidentensohn in einer geklauten Limousine erwischt wurde und auf ein Motorradtaxi steigen musste, um nach Hause zu kommen, empfanden das viele als Anflug von Gerechtigkeit. Auch wenn es von Nigerianern kam. HAKEEM JIMO