Schillerndes Thüringen

In Stuttgart war sein Schreiben unerwünscht. Umso willkommener war Friedrich Schiller in der Gegend zwischen Rennsteig und Weimar. Anlässlich seines 200. Todestages wirbt Thüringen mit Orten, in denen der Dichter seine Spuren hinterlassen hat

VON SAMIRA ZINGARO

Das ländliche Bauerbach ist unspektakulär. Umgeben von saftigen Wiesen und sanften Hügeln am Rande des südwestlichen Thüringer Waldes gelegen, fällt das Dorf nicht weiter auf. Hätte da nicht nicht eines Tages ein 23-jähriger Mann namens Dr. Ritter bei der Gutsherrin Henriette von Wolzogen Unterschlupf gefunden. Auf der Flucht vor Herzog Carl Eugen von Württemberg bekam Dr. Ritter im Jahre 1782 für einige Monate Asyl in Bauerbach.

Kaum jemand im Dorf wusste, dass sich hinter dem Pseudonym Dr. Ritter einer der größten deutschen Dichter versteckte: Johann Christoph Friedrich Schiller. Das Drama „Don Carlos“ nahm in Bauerbach seine Anfänge auf Papier, hier überarbeitete Schiller sein Werk „Fiesco“ und schrieb „Kabale und Liebe“.

Heute sind die Einwohner Bauerbachs stolz auf die literaturgeschichtlichen Bezüge ihres Dorfes. Das Gutshaus von Henriette von Wolzogen ist mittlerweile ein Schillermuseum. Aus der Gastwirtschaft „Zum braunen Ross“ ist eine Schillergaststätte geworden. Noch immer hat Schiller in seinem einstigen Stammlokal Schulden: Die offene Rechnung von 15,11 Gulden hängt eingerahmt im Restaurant.

Die Bauerbacher sind der Leidenschaft des berühmten Gastes treu geblieben: Die Vorstellungen im dorfeigenen Naturtheater „Friedrich Schiller“, einer Freilichtbühne, ziehen jährlich hunderte von Zuschauern an.

Von Bauerbach aus wanderte Schiller oft in die Residenzstadt Meiningen, wo er Zugang zur großen Bibliothek hatte. Diese 13 Kilometer lange Route ist heute als Schillerwanderweg beschildert. Im kommenden Jahr wird daraus ein Kunstweg: Künstler wurden aufgefordert, sich mit Schiller künstlerisch auseinander zu setzen. Ihre Objekte werden dann auf dem Wanderweg ausgestellt.

Thüringen wirbt mit seinem geistesgeschichtlichen Erbe: Luther, Herder, Goethe, Fichte, Wieland – sie alle machten im Verlaufe ihres Lebens Halt „im grünen Herzen Deutschlands“. Das Gedenken großer Geister geht nun nach Goethejahr und Lutherboom weiter: Anlässlich des 200. Todestages von Friedrich Schiller wird der Dichter zum Objekt der Begierde örtlicher Reiseveranstalter. Mit dem Konzept „Schiller lockt …“ soll an verschiedenen Orten seinen Spuren in Thüringen nachgegangen werden. Wer sich ausschließlich von Schillers Spuren nach Thüringen locken lässt, muss schon ein gewaltiger Anhänger des deutschen Schriftstellers sein. Im kommenden Gedenkjahr sind zwar die unterschiedlichsten Veranstaltungen zu Schiller geplant (siehe Kasten), die nicht nur Schulklassen und Germanisten interessieren dürften. Die Spurensuche nach Schiller kann aber leicht ermüden: zu ähnlich sind sich die gelblichen Wohnhäuser Schillers, zu unspektakulär die einzelnen Begegnungsstätten. Zum Glück hat Thüringen zwischen Weimar und Rennsteig mehr zu bieten, das sich mit der Spurensuche kombinieren lässt.

Die chronologische Spurensuche führt von Meiningen-Bauerbach nach Rudolstadt. In der Residenzstadt am Saale-Knie trafen Goethe und Schiller im Jahre 1788 aufeinander. Es war eine kühle Erstbegegnung: Goethe belächelte den jungen Schiller. Schiller dagegen hatte sich mehr vom großen Dichter erhofft und fand Goethe überheblich.

Umso wärmer war eine andere Bekanntschaft in Rudolstadt: Der Dichter traf hier ein Jahr zuvor auf die Geschwister Lengefeld. Alsbald verbindet Schiller eine „tiefe Freundschaft“ mit den Schwestern Caroline und Charlotte. Schließlich macht Charlotte den Stich – Schiller heiratet sie. Noch heute ist der Schriftsteller in Rudolstadt verewigt: Auf „Schiller’s Höhe“ außerhalb der Stadt blickt die Büste Schillers auf das Saaleufer. Aus dem Lengefeld’schen Haus wurde ein museales Schillerhaus.

Rastlos war Schillers Leben: zweimal ist der aus Baden-Württemberg geflüchtet und zog fortan immer wieder um. In der Saalestadt Jena verweilte Schiller immerhin ein Jahrzehnt. 1789 wird er als Professor für Philosophie an die Jenaer Universität berufen.

„Eine schöne Landschaft umgibt mich, die Sonne geht freundlich unter, und die Nachtigallen schlagen“, schrieb Schiller 1797 aus seinem Gartenhaus an Goethe. Längst hat sich heute das Jenaer Stadtzentrum um Schillers Gartenhaus ausgebreitet und verdeckt die Sicht auf die bewaldete Hügellandschaft. Als einzige seiner Jenaer Wohnungen hat das Haus den Zweiten Weltkrieg überstanden.

In Jena begegneten sich Goethe und Schiller 1797 erneut. Diesmal schlossen sie einen Freundschaftsbund.

Nach zehn Jahren zog Schiller erneut um: nach Weimar, wo er dem Hoftheater näher war. Auf dem Theaterplatz üben Jugendliche heute ihre Skateboard-Sprünge am Fuße des Schiller-und-Goethe-Denkmals. Symbolisch steht die grünstichige Statue vor dem Nationaltheater. In ihrer Gestik sind die Charaktere der beiden Klassiker zu erkennen: Während Goethe im Hier und Jetzt in sich ruht, blickt sein Dichterfreund suchend in die Ferne.

Schillers einstiges Wohnhaus fungiert heute als Museum. Zeitlebens litt der Schriftsteller an seiner schwachen Gesundheit. Am 9. Mai 1805 starb er in Weimar an einer Form von Tuberkulose. Das Weimarische Wochenblatt schrieb damals zum Tode Schillers: „Als der Sarg an der Gruft abgestellt wurde, riss die Wolkendecke plötzlich auf, der Mond warf seine Strahlen auf den Sarg mit Schillers sterblichen Überresten und verschwand erst wieder hinter den Wolken, nachdem der Sarg in die Gruft gebracht worden war.“ Auf dem Jakobskirchhof ziert heute eine ausgetrocknete, einsame Rose die Beisetzungsstätte Schillers.