Von Clinton lernen heißt – was genau?

Vor 30.000 Gästen, darunter viel Prominenz, wird in Little Rock die „Clinton Library“ eingeweiht, die Dokumente und Memorabilien aus Bill Clintons Amtszeit sammelt. Für die Demokraten ein Anlass, nach Erfolgsrezepten zu suchen

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Für einen Tag herrschte Eintracht, war die Bitternis zwischen Demokraten und Republikanern beiseite geschoben, der Krieg im Irak zweitrangig und selbst der alte Bush zu Humor fähig. Vor versammelter Prominenz aus Politik und Showbiz und 30.000 anderen Gästen, die alle zur Einweihung der Präsidentenbibliothek von Bill Clinton nach Little Rock gekommen waren, sagte der 1992 vom Gouverneur aus Arkansas Besiegte, Clinton sei eine der talentiertesten politischen Figuren der Gegenwart. „Und ich weiß, wovon ich spreche.“

Gefeiert wurde also der Expräsident und ein kühner Bau am Ufer des Arkansas. In seinen Archiven befinden sich Millionen Fotos, Memos, Briefe und zehntausende Gegenstände aus Clintons Alltag. Sie dokumentieren die Höhen und Tiefen seiner Amtszeit. Auch die Affäre mit Monika Lewinsky wird nicht ausgespart. Bereits im kommenden Jahr, weit früher als gesetzlich vorgeschrieben, will Clinton Historikern hier das Forschen erlauben.

Für die anwesende Elite der Demokratischen Partei war es weit mehr als ein Nostalgietreffen. Die Reise in die Vergangenheit sollte den Demokraten Anhaltspunkte für einen Sieg in der Zukunft liefern.

Doch um Clintons Vermächtnis wird gestritten. Für die einen ist er der charismatische Südstaatler, der die seltene Gabe hatte, die Sprache des Volkes und der Intellektuellen zu sprechen. Ein Präsident, unter dem Wohlstand und Wachstum blühten, die USA in der Welt beliebt und respektiert war, der die „New Democrats“ schuf, sich mit der Parteibasis anlegte, deren orthodoxe Haltung gegenüber staatlicher Wohlfahrt hinterfragte, den Freihandel verteidigte und den Haushalt sanierte.

Andere werfen ihm vor, dass sich unter seiner Präsidentschaft al-Qaida ausbreiten konnte, der Kongress in die Hände der Republikaner fiel, viele Reformprojekte scheiterten, er sein politisches Kapital völlig durch die Lewinsky-Skandal verspielte und seine Amtszeit ohnehin nur ein Interregnum in einer kontinuierlichen Drift nach rechts war. „Für ein Urteil ist es noch viel zu früh“, sagt der Historiker Robert Dallek von der Universität Los Angeles. Fest stehe nur, dass die Demokraten durch ihn ein Comeback erlebten.

Fest steht auch, dass Clinton gekonnt die gesellschaftliche Mitte eroberte und all jene Regionen im Süden und Mittleren Westen der USA, die heute so unwiderruflich für die Demokraten verloren scheinen. Doch dann kam die Sexaffäre – und Bush junior reichte zum Wahlsieg, dass er gelobte, wieder Moral und Anstand ins Weiße Haus zu bringen.

Schien der Stern Clintons, der für die Niederlage Al Gores mit verantwortlich gemacht wurde, nach 2000 zu sinken, steht er nun wieder hoch am Firmament. Nach der Wahlniederlage von John Kerry kramen die Demokraten bei ihm erst recht nach Erfolgsrezepten. Sicher, er sei eine polarisierende Figur gewesen, aber kein Spalter wie Bush, sagt Leon Panetta, Clintons ehemaliger Stabschef im Weißen Haus. „Wir vermissen jemanden, der in der Lage ist, das rote und blaue Amerika anzusprechen.“

Besser als Gemahlin Hillary Clinton könnten das bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2008 womöglich demokratische Gouverneure, die in Bush-Staaten wie Oklahoma, Kansas oder New Mexico regieren. Doch frische Gesichter allein reichen nicht. Die Demokraten brauchen eine neue Vision und eine kohärente Botschaft, die auch im konservativen Amerika Widerhall findet. Insofern heißt von Clinton lernen siegen lernen.