Kein Eisbecher, keine Kirschen

KUNSTBETRIEB „Crisis! What Crisis?“, fragte eine Podiumsdebatte zu Kunstmarkt, Staatskunst und Ausstellungspolitik in der Heinrich Böll Stiftung

Inzwischen kriegt man die Krise, weil ständig das Wort Krise drohend in den Redaktionsraum geworfen wird. Gefordert ist die ultimative Recherche zum Niedergang des Kunstmarkts. Aber bitte so, dass nicht gleich die Rechtsanwälte aufmarschieren. Okay, es gibt also keine Entlassungen in Galerien und Auktionshäusern, auch wenn jede Menge Leute auf die Straße gesetzt werden. Glücklicherweise sind sie nie Angestellte der Häuser gewesen, sondern nur freie Kräfte mit einem Werkvertrag. Und der lief eben gerade aus.

Dass nicht viel bei den Nachfragen rumkommt, entbindet natürlich nicht von der Pflicht, dem Thema der Stunde zu genügen. Dem kam am Dienstagabend die Heinrich Böll Stiftung nach und lud den Direktor der Nationalgalerie, Udo Kittelmann, die Galeristin Barbara Weiss und den Leiter Kulturkommunikation der BMW Group, Thomas Girst, zu einer Podiumsrunde ein, die Elke Buhr, stellvertretende Chefredakteurin des Kunstmagazins Monopol, moderierte.

Wie sieht es also wirklich aus im Kunstbetrieb, wollte sie wissen, und warum sind eigentlich plötzlich alle so wahnsinnig erleichtert, selbst – und besonders – Damien Hirst, den sie zitierte, dass endlich die Luft aus der Verpackung, also den Partys, den Auktionsrekorden, den neuen Sammlerwohnungen etc., raus ist?

Laut Barbara Weiss, die sich mit ihrem Programm nie in dem Mainstream bewegte, der vom Hype um die zeitgenössische Kunst besonders profitierte, kann man bei vernünftiger Preisgestaltung nach wie vor verkaufen. „Das haben wir selbst erfahren. Wir sind nach New York zur Armory Show gegangen und waren überrascht, dass wir doch an gute Institutionen, Museen und erfahrene Sammler verkauft haben.“ Wirklich beunruhigend sei, dass zum jetzigen Zeitpunkt keiner wirklich wisse, wie sich die Krise entwickeln wird. Und das war im Übrigen schon die große Erkenntnis des Abends: Die Krise ist in ihrer Latenzphase und rollt viel langsamer an, als es der Zeitplan der Medien verlangt.

Auch Udo Kittelmann plant für die Nationalgalerie „erst einmal weiter wie gehabt“. Klar ist, dass in den letzten Jahren, wie er sagt, „Ausstellungen ohne Drittmittel gar nicht mehr zu machen waren“. Aber, sagt er im späteren Verlauf der Diskussion, das Problem sei nicht, ob die Museen nun vier statt sechs Ausstellungen im Jahr machten. Es läge vielmehr darin, dass in den Häusern schon seit Jahren ein ihre Funktionstüchtigkeit bedrohender Personalabbau im Gang sei. Dieser Prozess werde sich verstärken.

Für die BMW Group, so Thomas Girst, „stehen 30 Jahre Kulturengagement auch in der Krise nicht einfach zur Debatte“, auch wenn sie gezwungen sei, einzelne Entscheidungen genau zu überprüfen. Im Übrigen sei das Verhältnis der Kulturfinanzierung in Deutschland 95 Prozent öffentliche Hand zu fünf Prozent von Seiten der Wirtschaft. „Sponsoring war immer nur die Kirsche auf dem Eisbecher.“ Der Staat aber, der Papa mit dem Eisbecher, war bei Böll nicht vertreten. Ihm spielt die Krise sicher nicht zu. Als Journalist spürt man sie im Übrigen am gerade jetzt noch zunehmenden Einsatz der Verpackungsindustrie, die um ihr Überleben kämpft, mit Telefonterror, Essenseinladungen und Partys.

BRIGITTE WERNEBURG