Lass uns echt mal über die Randale reden

Polizei und Richter bereiten sich gemeinsam auf die 1.-Mai-Randale vor. Mental. Eine Methode: Bewerfen mit Tennisbällen. Der Grüne Volker Ratzmann wittert ein „Geschmäckle von Verbrüderung“ und sieht die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet

von LIA PETRIDIS

Man muss sich die Sache nur mal bildlich vorstellen: Da klettern zehn Richter und eine Staatsanwältin in einen Polizeibus, und viele Polizisten stellen sich im Kreis drum herum auf. Die Polizisten haben Tennisbälle in den Händen, viele Tennisbälle. Sie fangen an, den Bus zu bewerfen. Mit aller Kraft, denn laut soll es sein im Bus, Tennisbälle – in der Regel sind es Tennisbälle, sagt unwirsch ein Polizeisprecher –, denn die machen keine Beulen. Die Polizei und der Richterrat des Amtsgerichts Tiergarten denken sich so was aus. Um den Stress mal deutlich zu machen. Den Lärm in einem Bus mitten in der Randale am 1. Mai. In mehreren Infoveranstaltungen im letzten und in diesem Jahr wurden Richter und die Staatsanwältin mental auf die traditionelle Mai-Bambule vorbereitet, auch mit oben beschriebener Szenerie. Danach gab’s Würstchen vom Grill – gegen einen „Kostenbeitrag“. Der grüne Abgeordnete Volker Ratzmann fragt sich da: „Wie weit reicht die Kooperation von Polizei und Rechtsprechung?“

Zu besagter „Fortbildung“, die der Pressesprecher der Justizverwaltung, Björn Retzlaff, erst so nicht nennen möchte, später dann aber doch, stellte Ratzmann jedenfalls eine Anfrage an den Senat. Die beschäftigte sich mit der Unabhängigkeit der Justiz und ihrer öffentlichen Wahrnehmung. Retzlaff sieht da kein Problem: „Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Justiz besteht nicht.“ Über das Verhalten von Zeugen bei Gericht habe man sich zwar ausgetauscht, aber „lediglich allgemein“. So eine Veranstaltung habe ihre Berechtigung, denn „sie ist wichtig, damit Richter und Staatsanwälte solch eine Stresssituation besser einschätzen können“, so Retzlaff. Eine „Verbrüderung“ zwischen Polizei und Rechtsprechenden könne insofern nicht stattfinden, weil die Polizei kein „monolithischer Block“ sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Polizist zur Zeugenaussage geladen werde, der auch an dieser Veranstaltung teilgenommen hätte, sei gering.

„Das hat ein Geschmäckle von Verbrüderung“, meint der Grüne Ratzmann nun. Wenn ein Richter sich objektiv informieren wollte, hätte er zur Polizeischule fahren können. Eine simulierte Situation mit Justizvollzugsbeamten hätte auch gereicht. Nun dürften sich die Rechtsprechenden nicht wundern, wenn in Verfahren die Anwälte nach der Unbefangenheit der Richter fragen würden. Ratzmann: „Das darf das Gericht nicht machen. Das darf die Staatsanwaltschaft machen.“

Die Polizei will nicht Stellung beziehen. Die Anfrage an den Senat sei „ausführlichst“ beantwortet worden. Auch Georg Plüür, Mitglied des Richterrats beim Amtsgericht Tiergarten und Mitveranstalter des bunten Nachmittags, weiß von nichts. Wenn er wüsste, würde er aber gerne kommentieren, sagt er. Das Presseorgan der Richterrates Tiergarten weiß sehr wohl, will aber keinen einzigen Namen von Richtern oder Staatsanwälten mitteilen. Obwohl die Befragten sich durchweg positiv äußern.

„Die Justizbeamten, mit denen ich gesprochen habe, fanden diese Veranstaltung sehr beeindruckend“, so Retzlaff. Wenig beeindruckt zeigt sich ein Mitarbeiter der Verwaltungsakademie, zuständig für Aus- und Fortbildung der Beschäftigten des Landes, wie beispielsweise Brand- und Regierungsreferendaren. „Das sind Methoden, die wir absolut nicht verwenden.“