AUSSTELLUNG „BILDERSCHLACHTEN“ IN OSNABRÜCK
: Vom Einreißen der Mauer

Die dezentrale Ausstellung läuft bis 4. 10. an drei Orten:

Teil 1, „Von Staffettenläufern zur Fotografie“: Museum Industriekultur Osnabrück Teil 2, „Von der Erfindung der Propaganda bis zur Handykamera“: Kunsthalle Dominikanerkirche Teil 3, „Summing Up“: Erich Maria Remarque-Friedenszentrum

geöffnet Di–So 10–18 Uhr

Im Jahre 9 nach Christus war es dunkel in Germanien. So muss es für einen römischen berittenen Boten eine Erleichterung gewesen sein, den ersten Posten des Cursus Publicus, des zivilen Botendienstes, zu erreichen. Was er zu vermelden hatte, war weniger erfreulich: Der Feldherr Varus hatte mit drei römischen Legionen eine vernichtende Niederlage durch die Germanen erfahren. Wenige Tage später erreichte die Nachricht Rom und verbreitete sich schnell im ganzen Reich. Der Botendienst, von Kaiser Augustus eingeführt, hatte nicht zuletzt eines zur Folge: die sprunghafte Beschleunigung der Frontberichterstattung.

2.000 Jahre sind vergangen seit jener Schlacht. Wie sich die Symbiose von Krieg und Medien über diesen Zeitraum entwickelt hat, zeigt seit Mittwoch die Ausstellung „Bilderschlachten“ in Osnabrück. Medienprodukte wie auch technische Gerätschaften und Kunstobjekte, die die Kriegsberichterstattung reflektieren, sind ausgestellt, insgesamt mehr als 250 Exponate.

Dabei zeigen die Kuratoren, wie technische Innovationen das Wesen des Krieges verändert haben: Bis zur Einführung der Fotografie wurde die Schlacht stets vom Kommandohügel aus dargestellt. Die Berichterstattung richtete sich an die Generäle, die militärischen Entscheidungsträger. Im 19. Jahrhundert änderte sich die Perspektive dann. Das Foto ermöglichte eine realistischere Darstellung, durch Telegraphie und Eisenbahn konnten Frontberichte zeitnah in die Heimat gelangen, Druckverfahren machten die Berichte und Bilder dem Massenpublikum zugänglich. Die Heimatfront wurde ein immer wichtigerer Teil des Krieges – und der Propaganda kam immer mehr Bedeutung zu. Die Kuratoren der Ausstellung haben diesen Prozess dezidiert nachgezeichnet.

Geradezu deplatziert wirken dazwischen die Medienkunstwerke: Das Konzept, die verschiedenen Exponate zu mischen, geht nicht recht auf. Eine Ausnahme stellt die Installation „Still Men Out There“ von Bjørn Melhus dar. In einem verdunkelten Raum sind 18 Bildschirme auf den Boden montiert. Zu den Tönen eines Kriegsfilms erzeugen sie durch eingeblendete Farbflächen einen fiktiven Raum, aufgeladen mit Pathos.

Es fällt auf: Die Kriegsberichterstattung hat sich vor allem beschleunigt seit den Boten des Cursus Publicus. Und noch ein zweites Streben bei der Entwicklung der Kriegsvermittlung wird erkennbar: Durch möglichst realistische Darstellung soll Nähe suggeriert werden. Fotografie statt Malerei, Farbe statt Schwarz / Weiß, bewegte statt starre Bilder, Interaktivität statt Passivität – all die Neuerungen behaupten letztlich die Mauer zwischen Zuschauern und Schlachtfeld einzureißen. Aber die realistisch anmutende Berichterstattung täuscht eben auch rasch darüber hinweg, dass wir vor dem Fernseher immer nur eine von vielen möglichen Wahrheiten erleben. Und so warnt ein berühmtes Zitat Hiram Johnsons am Eingang der Kunsthalle Dominikanerkirche: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ JOHANN TISCHEWSKI