„Weg vom Blick auf die Hüfte“

Trans- und Intergeschlechtlichkeit sind auch für viele pädagogische und psychologische Fachkräfte unbekanntes Terrain. Eine Fachtagung bot Abhilfe – auch durch die Begegnung mit Betroffenen

VON JULIANE GRINGER

Patricia Metzer aus Berlin lebt nach einer Hormonbehandlung als Frau. In ihrem „ersten Leben“ war sie Pastor und Familienvater von fünf Töchtern. Als sie sich zu ihrer Transsexualität bekannte, verlor sie diese Familie, ihre Arbeit und viele Freunde. „Es ist ein furchtbar harter Weg, den man gehen muss, aber mein Körper und meine Psyche hielten es nicht mehr aus, mit dem falschen Geschlecht zu leben.“ Auf dem Podium einer Fachtagung zum Thema Trans- und Intergeschlechtlichkeit erzählte die 50-Jährige offen ihre Lebensgeschichte. „Die Frage nach dem Geschlecht lenkt immer den Blick auf die Hüfte“, kritisiert sie. „Dabei geht es doch um das, was sich im Kopf abspielt und um Gefühle.“

„Männlich – weiblich –menschlich?“, fragte diese Fachtagung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. Im Titel steckt die Problematik: Menschen, die mit dem falschen Geschlecht oder zwischen den Geschlechtern geboren wurden, leben auch zwischen den gesellschaftlichen Vorstellungen von dem, was richtig sei.

Patricia Metzer bereitete die Auseinandersetzung mit ihrer Identität große Schmerzen – auch körperlich: „Ich hatte viele Jahre lang Depressionen, Migräne und war zeitweilig sogar erblindet.“ Sie habe es als inneren Krieg ihrer männlichen Hormone gegen die weiblichen erlebt, der eine Entscheidung forderte. Vor vier Jahren suchte sie schließlich Hilfe bei Ärzten und Therapeuten.

Berlin bietet mit Netzwerken, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen mehrere Anlaufstellen für Betroffene. Gruppen wie der Verein Sonntags-Club, Queer Christ, TransAnders oder Blaue Käfer bieten Informationen und Begleitung auf dem Weg zur „psychosexuellen Selbstfindung“. Lela Lähnemann vom Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen wünscht sich einen „akzeptierenderen und kompetenteren Umgang“ mit Trans- und Intergeschlechtlichen. Zur Fachtagung eingeladen waren deshalb pädagogische und psychologische Fachkräfte, die in ihrer Arbeit mit Trans- und Intergeschlechtlichen in Kontakt kommen. Das Thema gewinnt beispielsweise in der Jugendhilfe in den letzten Jahren stark an Bedeutung, da sich viele früher zu ihrer Sexualität bekennen.

„Man muss diesen Jugendlichen Raum geben, ihre Vielfältigkeit auszuloten“, sagt Ammo Recla vom Jugendnetzwerk Lambda Berlin. Mit dem Projekt „inbetween“ will Lambda sie zu Fragen der Geschlechtsidentität beraten und auf ihrem persönlichen Weg begleiten. „Es ist besonders wichtig, dass sie Gleichaltrige in derselben Situation kennen lernen, die sie dann zum Beispiel auch mit dem Namen und Pronomen ansprechen, die sie sich wünschen.“ Vor allem die Isolation, in die viele betroffene Jugendliche geraten, sei gefährlich. Oft wenden sich Freunde, Familie und Menschen an der Ausbildungsstelle oder im Kollegenkreis ab, wenn sich Trans- oder Intersexuelle outen. Viele bekennen sich zunächst zur Homosexualität. „Damit kommen die meisten in der Umgebung dann noch klar, aber mit dem kompletten Outing kaum jemand“, sagt Ammo Recla.

Für die Betreuer kann die Arbeit mit Transgender-Jugendlichen ebenso schwierig sein, glaubt Andreas Schröder von gleich-und-gleich e.V., der vor allem homosexuelle Jugendliche betreut. „Auch ein Schwuler kann sich nicht in das einfühlen, was es wirklich bedeutet, Transgender zu sein.“ Dies müsse aber auf keinen Fall dazu führen, dass nur „Betroffene“ beraten und begleiten. „Auch in die Arbeit mit Schwulen und Lesben sollten mehr Heterosexuelle einbezogen werden“, meint er.

In anderen Arbeitsgruppen der Fachtagung wurde beispielsweise diskutiert, wie MigrantInnen Transgender leben. Im arabischen Raum, war dort zu erfahren, sei das fast die einzige Möglichkeit, Homosexualität auszuleben.