Das Kurzfilmfestival präsentiert im Zeise sein Halbzeitprogramm unter dem Motto „Sex, Gewalt und Horrorschau“
: Stirb langsam in anderthalb Minuten!

„Sex, Gewalt und Horrorschau“ – so plakatiert die Kurzfilmagentur ihr auf halber Strecke zwischen vergangenem und künftigem Festival angesiedeltes diesjähriges „Halbzeitprogramm“. Dieser Reißertitel bellt den Kurzfilm-Sympathisanten ja ziemlich frontal an. Ob die Direktheit auch neue Besuchergruppen erschließt, sprich Popcorn-Kinogänger oder TV-Couchpotates zu den Kurzfilm-Ketchup-Mayo-Krachern herüberlockt, lassen wir mal dahingestellt. Fest steht jedenfalls, dass in den sechs Programmen rot-weiße Körperflüssigkeiten nur so durch die Gegend spritzen.

Erst fangen sie janz langsam an, die langen Kurzfilmernächte. Da wird in den Nachmittagsprogrammen zunächst noch der Liebe das Wort geredet. Der von Models aus dem Versandhauskatalog etwa. In Die Liebe der Mannequins sind Modepuppen und Dressmen mal ganz offen und lassen uns teilhaben an ihrem kleinen bürgerlichen Traum. Doch in Fruit and Good Humor ist die Liebe bereits vergangen, Verzweiflung ihr auf dem Fuße gefolgt, es werden erste Schusswaffen hervorgeholt, und eine Geliebte liegt schließlich in ihrem Blut.

Zeit also für die Art Liebe, nennen wir sie Menschenliebe, mit der deutsche TV-Kommissare den Angehörigen die Nachricht vom Ableben ihrer Lieben überbringen. Todesboten von Stefan Eckel ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ursprünglich salzarme Fernseh-Found-Footage mit einer Prise Ironie zu schmackhafter Kost bereitet wird. Diese Reduktion aufs Wesentliche übertrifft nur Maggi.

Zur Prime Time dann von Liebe keine Spur und Monster aus dem Sack. Acht Beine hat sie und läuft über eine picobello 50er-Jahre Schwarz-Weiß-Oberfläche, dass Jack Arnold und all seine zuerst ganz kleinen, dann aber riesengroßen Monster und Mutationen ihre Freude daran hätten. Larger than Life ist sie, und ob dem redlichen Kammerjäger gegen Tarantulas Kusine ein Kraut gewachsen ist, darf bezweifelt werden.

Diesen Good-looking-Grusel kontrastiert der hässliche, halbstündige Horror eines Vibroboy. Indiana Jones auf Pumps wandert durchs Gender-Tal, und sein aus der Flasche gelassener 200.000 Jahre alter Azteken-Vibrator schlachtet sich im Stile der Kettensäge von Leatherface durch die Pariser Banlieue. Schön ist das wirklich nicht. Ganz anders kommt da Konstantin Bronzits Die Hard daher. Womit Bruce Willis Abende füllt, das erledigt sein Trickfilm Alterego in anderthalb Minuten. Ein echter Killer. Maggi eben.

Aber dann: In den Spätvorstellungen ist wieder die Realität am Drücker. Um den ganz wirklichen Gipfel der Lust geht es in The Highest Point. Darin erzählen Frauen davon, wie sie ihn erklimmen. Julika Rudelius zeigt hier nie die Gesichter ihrer Berichterstatterinnen, die von ihren Höhepunkten in einem Tonfall sprechen, als gelte es Funktionen ihres Waschautomaten zu erläutern. Ein prickelndes Oszillieren zwischen sichtbar und unsichtbar, zwischen Sachlichkeit und Sinnlichkeit. Eine andere Lust ist die an der Arbeit. Klaus hat sie ganz gewiss, auf seinem Stapler. Der Lehrfilm zu Arbeitssicherheit, Staplerfahrer Klaus, ein Verkaufsschlager der Kurzfilmagentur, von seriösen Unternehmen gern und oft gebucht, demonstriert mit reichlich Ketchup und Körperattrappen, wie nah das wahre Leben stets an Slapstick und Splatter gebaut ist. Da bleibt kein Auge trocken und kein Arm dran. Arm dran war auch das White Trash Girl. Als Säugling in den Orkus gefallen, doch dann als Superheldin mit besonderer Fertigkeit wieder aufgetaucht. Im Stehen spritzt sie mayonaisige Cumshot in Männervisagen. Bravo! Tim Gallwitz

“Halbzeit“, Sa + So, 17.30, 20 + 22.30 Uhr, Zeise