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Von Pickeln und Pixeln

Ein Wet-Look-Programmierer für Keanu Reeves: Am Dienstagabend ließen sich die Special-Effects-Profis der „Matrix“-Triologie im Cinestar in die Karten schauen

Früher waren Jungs, die sich mit Computern beschäftigten und später mal Informatik studieren wollten, meist picklige Wesen mit Brille. Statt einem Schulranzen hatten sie schwarze Aktenkoffer mit einem Schloss, dessen Zahlenkombination sie ängstlich hüteten. Im Schulbus saßen sie meist ganz vorne und lasen irgendeine Computerzeitschrift. Mit anderen Worten: Es war nicht viel los mit ihnen. Heute ist das anders. Heute tragen sie eng anliegende Hemden, die ihre gut gebauten Oberkörper betonen, wohnen in Kalifornien und kennen Keanu Reeves.

Zumindest die beiden jungen Special-Effects-Programmierer, die am Dienstag im Cine Star am Potsdamer Platz ihre computergenerierten Tricks für die beiden Matrix-Sequels „Reloaded“ und „Revolutions“ vorführten. Eingeladen hatte die deutsche „Gesellschaft für Computerfilm und Maschinenintelligenz“, die irgendwie an den Tricks beteiligt war. Wie genau, blieb den ganzen Abend im Dunkeln. Dafür präsentierten die beiden Jung-Informatiker von der amerikanischen Special-Effects-Firma, die den Matrix-Brüdern Wachowski gehört, stolz das Verfahren, wie man im Computer fast lebensecht wirkende Menschen aus Pixeln erschaffen kann, die dann abenteuerliche Martial-Arts-Verrenkungen vollführen können. Ein Verfahren, bei dem das Gesicht und die Mimik des Schauspielers erst genau vermessen und dann in den Computer eingescannt wird, wo es dann als Rohmaterial für verschiedene Szenen einsetzbar ist.

In den Matrix-Filmen geht es um das Verschwinden der Menschen in der digitalen Welt. Oder wie es in der Werbung zu dem Film heißt: „Die Realität, wie wir sie erleben, ist nur eine Scheinwelt. In Wahrheit werden die Menschen längst von einer unheimlichen, virtuellen Macht beherrscht.“ Und genau darum ging es auch bei der Präsentation. Kann man die Filme durchaus als Kritik oder Unbehagen an den neuen, bunten virtuellen Realitäten aus dem Computer deuten, ging es den Special-Effects-Machern am Dienstag ironischerweise genau darum: zu zeigen, wie perfekt diese Realitäten heute in Hochleistungsrechnern erzeugt werden können.

Denn die Tricks der Filmbranche sind mittlerweile zu einer riesigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme computerbegeisterte Nerds mutiert. Waren es bei der ersten Matrix-Folge „nur“ 30 Computerspezialisten, arbeiteten an den beiden anderen Teilen der Saga fast 300 Menschen daran, dass bei den Kampfszenen jeder Pickel und jede Haarsträhne von Keanu Reeves den richtigen Schatten wirft. Denn nichts ist anscheinend schwieriger, als Menschen wie Menschen aussehen zu lassen, wenn man sie im Computer entwirft.

So erfuhr man, dass sich alleine für die Kämpfe im Regen ein Programmierer um den richtigen „Wet Look“ der Haare kümmerte. Wie im richtigen Leben bzw. Film, wo Hair- und Make-up Artisten meistens weiblich sind, durfte diese Aufgabe unter ansonsten lauter männlichen Programmierern auch hier eine Frau übernehmen. Wie in „Matrix“ siegt am Ende eben immer die Realität. SANDRA LÖHR

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