eine stimme der korrektur
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Die Transkription ist ein wiederkehrendes Thema unter uns KorrektorInnen. Das Problem entsteht dort, wo Wörter aus anderen Schriftsprachen in die unsere lautgerecht übertragen werden müssen. Gelegentlich unterbrechen wir unser stilles, vertieftes Arbeiten an Buchstaben, Sätzen, Artikeln, um Zweifelsfälle gründlich zu erörtern. Und schreiben die Lösung dann auf unsere Namens-, Sachwörter- oder Kriegsliste.

 Der irakische Nachrichtensender al-Arabia, der immer als Al Arabiya geliefert wird, ist im Griff. Donald Rumsfeld hat ihn kürzlich kritisiert. Tage später wurde er von irakischer Polizei, Diener ihres Herrn, überfallen und geschlossen. Der Sender hatte Bilder vom Kampf der US-Besatzer gegen Aufständische gezeigt, die zu viel Ähnlichkeiten mit den Bildern vom Vorgehen der israelischen Armee gegen Palästinenser hatten – sagt die Financial Times.

 Leidenschaftlich wurde die Debatte in unserem Glaskasten, als es um den russischen Ölkonzern Yukos ging. Für das Kyrillische sind die Regeln lange festgelegt, und hier müssten wir Jukos schreiben. Da aber die einzige lateinschriftliche Website auf Englisch ist und unter dem Logo des Konzerns Yukos steht, einigten wir uns schließlich mit demokratischer Mehrheit darauf, auch wenn sich in die taz von gestern doch wieder ein J eingeschummelt hat. Dabei verschwendeten wir keinen Gedanken an dessen Chef Chodorkowski, der in den Knast geschickt wurde – im Gegensatz zu weltflächendeckenden Kommentaren, die um einen Helden der Demokratie trauern. Und im Gegensatz zu seinen Arbeitern in der düsteren sibirischen Stadt Neftejugansk: „Warum sollten wir mit ihm Sympathie haben, wenn er acht Milliarden Dollar hat und wir kaum unsere Familien ernähren können?“, fragt der Ölarbeiter Gennadi Pasnikow, sagt die Financial Times.

 Für den lateinamerikanischen Bereich stellen sich solche Fragen der Transkription nicht, nur die der Akzente. In der Regel werden sie sorgfältig von den KorrespondentInnen mitgeliefert. Manchmal geht auf dem elektronischen Weg etwas verloren. Dann setzen wir, wie bei dem einstigen Präsidenten Boliviens, Gonzalo Sánchez de Lozada, die Betonungszeichen wieder richtig. Aber auch mit diesem, inzwischen nach Miami geflüchtet, müssen wir uns vorläufig kaum mehr befassen. Ganz sicher jedoch wieder mit der bolivianischen Protestbewegung, die ihn vertrieben hat. In ihrem Zentrum befanden sich übrigens die Arbeiter aus den Zinnbergwerken, die ihr Handwerkszeug in die Hauptstadt La Paz mitgebracht hatten: tacos de dinamita – Dynamitstangen. Ohne Betonungszeichen, aber doch mit Akzentsetzung.   ROSEMARIE NÜNNING