american pie
: Stubenarrest für die Nummer 91

Die Basketballsaison der Indiana Pacers liegt in Trümmern und Spieler Ron Artest hat viel Zeit für sein Plattenlabel

Mit Basketballprofis, die sich dem HipHop verschreiben, ist das so eine Sache: Irgendetwas geht meistens schief. Die Platten von Shaquille O’Neal („You want me to shoot? Nooooo!“) bekamen ordentliche Kritiken und verkauften sich nicht schlecht, aber die Vorwürfe, er würde seinen wahren Beruf, das Drängeln unterm Korb, vernachlässigen, verleideten ihm bald die Sache. Kobe Bryants Versuch wurde wegen seines dünnen Stimmchens eher bespöttelt, Allen Iverson wiederum, ein begabter Rapper, bekam Probleme mit David Stern, der personifizierten Sittenpolizei der NBA. Der Commissioner der Liga rügte frauen- und schwulenfeindliche Textpassagen, Iverson meinte, das sei Kunst, deshalb dürfe er das. Am Ende gab er jedoch klein bei, das Rap-Album blieb unveröffentlicht. Zur Belohnung durfte Iverson ins Olympiateam, der Spaß hielt sich in Grenzen.

Der jüngste Fall ist Ron Artest, nach der wundersamen Läuterung des Rasheed Wallace der anerkannt böseste Bube der Liga. Dem trug der 25-Jährige jüngst Rechnung, indem er die alte Michael-Jordan-Nummer 23, die so gar nicht zu ihm passte, ablegte und sich die 91 überstreifte, die einst Dennis „The Menace“ Rodman trug. Artest gehört das Plattenlabel TruWarier Records, dessen Geschicke er mit weit mehr Hingabe lenkt, als er für sein Team, die Indiana Pacers, übrig hat. Vor allem die Promotion für das gestern erschienene neue Werk „Chapter III“ der aus drei Frauen bestehenden HipHop-Gruppe Allure liegt ihm am Herzen. Artest hat das Album produziert und arbeitet außerdem an einem eigenen. Vor einiger Zeit fragte er allen Ernstes beim Pacers-Coach Rick Carlisle nach, ob er für die Promotion von Chapter III nicht ein paar Spiele freihaben könnte, so früh in der Saison käme es doch nicht so drauf an. Der empörte Carlisle setzte ihn erst mal zur Strafe auf die Bank. Inzwischen wird er sich grämen, dass er Artest nicht wenigstens für das Spiel bei den Detroit Pistons am letzten Freitag Urlaub gegeben hat.

Bis dahin waren die Indiana Pacers eine Mannschaft, die sich Meisterschaftschancen ausrechnete, doch nun liegt ihre Saison bereits nach wenigen Spielen in Trümmern. Schuld ist Ron Artest, der eine Massenschlägerei mit dem Publikum in Detroit maßgeblich ausgelöst hatte. Er selbst ist nun als Folge der spektakulären Rauferei für den Rest der regulären Saison gesperrt, seine Teamkollegen Stephen Jackson und Jermaine O’Neal müssen 30 bzw. 25 Partien aussetzen.

Artest, der zuvor schon zweimal wegen Tätlichkeiten gesperrt war und deshalb diesmal besonders hart bestraft wurde, zeigt sich inzwischen zerknirscht und führt als Entschuldigung an, dass ihn zwei volle Bierbecher aus dem Publikum im Gesicht getroffen hätten, nachdem er mit dem Piston Ben Wallace handgreiflich aneinander geraten war. Tatsächlich hat der Eklat auch eine Debatte über Security und Alkoholausschank in der NBA und anderen Profiligen ausgelöst. In Detroit hatten offenkundig betrunkene Fans alles nach Indianas Spielern geworfen, was ihnen in die Hände fiel: Getränke, Stühle, sogar Eiscreme und Popcorn.

Die einst vorbildliche Fankultur in den USA hat in den letzten Jahren deutlich gelitten. Durch die hohen Ticketpreise und die Riesengehälter der Sportler fühlen sich viele Zuschauer offenbar legitimiert, ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen. Schiedsrichter werden oft ebenso übel beschimpft wie gegnerische Akteure. Als unentschuldbar gilt es jedoch nach wie vor, wenn sich ein Spieler revanchiert oder gar die Ränge stürmt, wie es Artest und Jackson getan haben. In einem ähnlichen Fall war zuletzt der Baseball-Pitcher Frank Francisco von den Texas Rangers für den Rest der Saison gesperrt worden. Er hatte in Oakland einen Stuhl auf pöbelnde Zuschauer geworfen und einer unbeteiligten Frau so das Nasenbein gebrochen.

Ron Artest, dem durch die Sperre fünf Millionen Dollar Gehalt verloren gehen, könnte in den Play-offs wieder spielen, wenn sein dezimiertes Team, das immerhin Ersatzleute für seine drei wichtigsten Spieler verpflichten darf, so weit kommt. „Ich habe Vertrauen in meine Mannschaft“, sagt Artest, der im Übrigen schon vorher angedeutet hatte, seine Karriere eventuell nach der Saison beenden zu wollen, um mehr Zeit für seine Familie und die Musik zu haben.

Bei der Auswahl der Songtitel für das Allure-Album hat er zumindest Gespür bewiesen. Auf „Relax“ und „Let Him Go“, was gute Ratschläge für Detroit gewesen wären, folgen „Uh-Oh“, „Sitting At Home“ und schließlich „Frustratin’ “. MATTI LIESKE