Die Faust der Nazis

Nicht nur der Gröfaz: Im so genannten Hitlerjahr der Medien erinnert die sehenswerte Doku-Serie „Die Gestapo“ (Arte, 20.45 Uhr) an die willigen Polizisten und ihre Rolle im Dritten Reich

VON JAN FREITAG

Warum eigentlich immer Hitler? Warum ständig der Diktator, in Zeitlupe, beim Agitieren, beim Hetzen, bei der Arbeit? Hallo!, möchte man da ausrufen – ich hab’s jetzt kapiert! Ehrlich. Seit Jahren schon. Danke Herr Fest, thanks Mr. Kershaw, ja, ja, auch Ihnen sei Lob, Professor Knopp. Der Gröfaz hat sich seinen Spitznamen redlich verdient, weiß ich doch, wissen fast alle. Wissen fast zu viele, die sich mit der Alleinschuld eines Größenwahnsinnigen und seiner Führungsclique zufrieden geben.

Umso ärgerlicher, dass es sich auch eine wirklich gute, notwendige und spannende Dokumentation wie „Die Gestapo“ nicht nehmen lässt, Hitler in allen Lebenslagen zu zeigen. Einmal, anlässlich des Reichstagbrands, gar in Superzeitlupe. Sechs Sekunden lang. Eine kleine Ewigkeit, bedenkt man den Gegenstand des Dreiteilers. Denn es geht um die Geheime Staatspolizei, den Inlandsgeheimdienst des Dritten Reiches. Ach ja – dessen Führer hieß Adolf Hitler. Trotzdem war die Gestapo ein Staat im Staate, der sich bestens ohne ihn erzählen lässt. Und dort, wo Regisseur Wolfgang Schön sich auf den Filmtitel beschränkt, mehr aber noch, wo er den Untertitel „Deutsche Polizei im Weltanschauungskrieg“ ernst nimmt, leistet er erstklassige Aufklärungsarbeit.

Nicht erst seit Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ (schon wieder Hitler …) und der so genannten Wehrmachtsausstellung, die ja ebenfalls kein gutes Licht auf deutsche Ordnungshüter warf, ist die Schuld des Ottonormalbürokraten in aller Munde. Doch das Verdienst von Schöns 52-minütigen Filmen ist es, „die Faust der Nazis“, wie einer der gut recherchierten Zeitzeugen im ersten Teil die Gestapo beschreibt, von Anfang bis Ende aufzuarbeiten.

Das heißt, von Weimars Polizei in den späteren nationalsozialistischen Spitzel- und Folterdiensten bis zum häufig reibungslosen Übergang in den bundesdeutschen Ordnungsstaat. Von Heinrich Müller auf seinem langen Weg zum Gestapochef bis zu Oswald Gundelach, dem die bayerische Polizei bei der Abschiedsbelobigung 1963 auch seine verbrecherische Führungsposition bei der Gestapo zur Karriere danach anrechnete. Die Widereingliederung, heißt es aus dem Off, diente nicht selten als Entschuldigung des eigenen Kadavergehorsams innerhalb der Bevölkerung.

Um dies zu entlarven, lieber Herr Schön, wirkt jedes Bild von Hitler zu viel nur störend. Trotzdem Danke für diese Doku!