Neue Ermittlungspannen in Spanien

Die Polizei wusste schon drei Jahre vor den Anschlägen in Madrid von dem Sprengstoffdiebstahl aus einem Bergwerk

MADRID taz ■ Wo hört die Schlamperei auf und wo fängt fahrlässiges Handeln an? Dieser Frage geht die Staatsanwaltschaft in der spanischen Nordregion Asturien nach. Dort wurde aus einem Bergwerk der Sprengstoff für die islamistischen Anschläge am 11. März in Madrid entwendet. Was nicht nur den Staatsanwalt erstaunt: Die für das ländliche Spanien zuständige Polizeitruppe Guardia Civil war bereits drei Jahre zuvor von einem Spitzel auf zwei Sprengstofflieferanten aufmerksam gemacht worden. Er berichtete, dass die beiden systematisch Sprengstoff entwendet und versucht hätten, das Material an Terroristen zu verkaufen. Doch die Untersuchungen brachten nach Aussagen des Ex-Kommandierenden der Guardia Civil in der Region, General Pedro Laguna, „nichts ein und wurden deshalb ruhen gelassen“.

Die Tageszeitung El Mundo hatte in den letzten Wochen die Kopie eines polizeilichen Mitschnitts der Aussagen des Informanten Francisco Javier Villazón Lavandera von 2001 veröffentlicht. Er informierte seinen Kontaktbeamten über einen ehemaligen Bergwerksmitarbeiter und dessen Schwager. Seiner Aussage nach suchten die beiden nicht nur Käufer für 400 Kilogramm Dynamit, sondern auch jemanden, der ihnen erklären konnte, wie Bomben mittels Mobiltelefonen gezündet werden könnten. Diese Methode wurde später in Madrid angewandt.

Zwei Gespräche zwischen Lavandera und seinem Kontaktbeamten wurden mitgeschnitten. Die Kassetten verschwanden, nachdem die Ermittlungen nichts erbrachten, bis im Oktober 2003 eine wieder auftauchte. Der Beamte David Robles legte sie in eine Schublade. Als General Laguna Mitte Oktober vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auftrat und behauptete, seine Einheit habe „nie Anzeigen bekommen, denen zufolge Bergwerksarbeiter Sprengstoff verkaufen“, übergab Robles die Kassette seinem Vorgesetzten Antonio Rodríguez Bolinaga. Dieser schloss das Band in einem Safe ein. „Hätte ich sie am 13. oder 14. März bekommen, hätte die Aufnahme etwas zu den Ermittlungen beitragen können, aber nicht mehr am 16. Oktober“, begründete Bolinaga. Er wurde vor einer Woche seines Amtes enthoben. REINER WANDLER