gewerkschaft gegen discounter
: Kunden sparen sich Solidarität

Die Gewerkschaft Ver.di hat zu Kampagnen gegen Billigdiscounter wie Lidl oder Schlecker aufgerufen. Ihr Vorwurf: Mitarbeiter würden gemobbt, schikaniert und unter Leistungsdruck gesetzt. Darf man dort noch kaufen?

Wenn die Hasstirade eines Kaugummivertreters jemanden wie den Ladenhüter Dante trifft, kann das sehr lustig sein. Wenn man jemanden wie diesen Dante aus dem Film „Clerks – Die Ladenhüter“ nicht vor sich auf der Leinwand hat, sondern ganz real im Lebensmitteldiscounter an der Kasse sitzen sieht, kann so eine Situation sehr unangenehm sein. Für ihn und all die anderen Beschäftigten ebenso wie für den Kunden.

Dass die Arbeitsbedingungen im ganz realen Alltag bei großen Billig-Discounter-Ketten wie Lidl, Schlecker oder mit Abstrichen auch Aldi alarmierend schlecht seien, das kritisiert nun die Gewerkschaft Ver.di. Seit gestern geht sie daher mit Berichten schikanierter Mitarbeiter an die Öffentlichkeit, um Druck auf die beliebten Billigketten auszuüben. Ihre Forderungen: Das Betriebsklima muss sich ändern, Betriebräte müssen her, die Verbraucher mobilisiert werden.

Doch das zu erreichen dürfte nicht so einfach sein. Discounterkäufer interessiert vor allem eines: billig, gut und schnell shoppen. Discountermärkte befriedigen dieses Bedürfnis perfekt: Marke namenlos, Personalkittel anonym, kein Glitzer, kein Glanz. Wer spart, nimmt da gerne Abstriche in Kauf. Schnell rein und wieder raus. Und zu Hause perlt der Schnäppchen-Champagner, mit dem man auf den günstigen Einkauf anstoßen kann. Jeder Discounterkäufer weiß das, jedem Discounterkäufer ist dies unterbewusst.

Der Clou dabei: Jeder gehört heute zu den Discounterkäufern. Die einen konsequent, die anderen gelegentlich. Der Lebensmitteleinzelhandel geht nicht ganz unbegründet davon aus, dass die Discounter möglicherweise schon in diesem Jahr einen Marktanteil von 40 Prozent erreichen werden.

Verändert hat sich nicht nur die Zahl der Discounterkäufer. Verändert hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz von Billig-Lebensmittel-Einkäufern. Wie sie handeln, gilt nicht mehr als politisch unkorrekt. Sparen und Abstrichemachen bestimmen Sein und Bewusstein. Sie sind Politik geworden. Auch wenn das für den Mann und die Frau hinter der Kasse nicht lustig ist. Die Frage nach dem korrekten Einkauf und angebrachten Boykotts stellt sich nicht mehr.

Wer sie heute nach missglücktem Shell-Tankstellen-Aktivismus oder halbgarer Nestlé-Produkt-Verweigerung trotzdem aufwirft, verhält sich unehrlich. Wer nicht mehr bei Lidl kauft, spart und kauft woanders. Ob die Verhältnisse dort tatsächlich besser sind, der Warenhandel moralisch wertvoll ist, kann keiner wirklich wissen. Auch die Gewerkschaft nicht. Viel mehr, als öffentlichen Druck zu erzeugen, können sie daher nicht leisten.

Ladenhüter Dante hat es da leichter. Der besucht, wenn er die Nase gestrichen voll hat, kurzerhand seinen Kumpel Randal, der in der Videothek nebenan arbeitet und dort seine Kunden quält. Sehr lustig wäre aber auch das nicht, für den Discounterkäufer zumindest. SUSANNE LANG