Rechter Terror mit Schriftführer und Kassierer

Westlich von Berlin wollte eine Gruppe Jugendlicher durch regelmäßige Brandanschläge sämtliche Ausländer aus ihrer Stadt vertreiben. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erhoben

BERLIN taz ■ Die Brandenburger Generalstaatsanwaltschaft hat 12 Jugendliche aus dem Havelland wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. „Ausländische Mitbürger sollten mit planmäßiger Verbreitung von Angst vertrieben werden“, erklärte Staatsanwaltssprecher Rolf Grünebaum. Zum ersten Mal in Brandenburg erhebt der Generalstaatsanwalt die Anklage vor dem Oberlandesgericht als erster Instanz. Grünbaum dazu: „Wir nehmen das sehr ernst, das ist kein Kinderkram.“

Sieben Imbissstände und Restaurants sollen die 12 Jugendlichen, die sich selbst „Freikorps“ nannten, von August 2003 bis Mai 2004 im Havelland in Brand gesteckt haben. (taz berichtete) Sie alle gehörten Migranten. Einige zündete die Gruppe mehrmals an, einmal wäre fast ein benachbarter Supermarkt mit abgebrannt. 600.000 Euro Schaden hat die Staatsanwaltschaft insgesamt errechnet. Doch die Ermittler schockierte vor allem eines: Hinter den Anschlägen steckte eine politische Strategie – ersonnen vom damals 19-jährigen Schüler Christopher H. Der Gymnasiast aus dem Berlin-nahen Städtchen Nauen hatte die Gruppe straff organisiert – mit Satzung, Schriftführer und Kassierer. Wer mitzündeln wollte, zahlte 5 Euro Mitgliedsbeitrag.

„Dabei war Christopher eher ein stiller Typ“, sagt eine ehemalige Mitschülerin. Der von seinen Kumpels „Bombi“ genannte Freikorps-Führer war gut im Fach Chemie und hat sich laut Staatsanwaltschaft „schon länger für das Herstellen von Sprengsätzen interessiert“. Die zündete er erst in den Wäldern um Nauen, später kam er auf die Idee mit dem Freikorps. Der Rädelsführer sitzt seit Sommer 2004 in U-Haft.

„Getötet werden sollte niemand“, sagt Staatsanwaltssprecher Grünbaum. Doch es war erklärtes Ziel des Freikorps, Ausländer durch das Schüren von Angst aus Nauen zu vertreiben. Das stand in der Satzung, welche die Angeklagten nach den ersten Vernehmungen vernichtet haben. Sie ließ sich nur anhand übereinstimmender Aussagen rekonstruieren. Offenbar wollte das Freikorps auch expandieren. „Nach Nauen sollte es weitergehen“, sagt Grünbaum. „Sie wollten ihre Tätigkeit ausweiten.“

Obwohl die Aktionen des Freikorps an das von Freien Kameradschaften propagierte Konzept der „national befreiten Zonen“ erinnern, konnten die Ermittler bisher keine Verbindungen zu anderen Rechtsextremen nachweisen. Auch die örtliche Antifa hat dafür keine Anhaltspunkte. Der Prozess gegen das Freikorps könnte laut Staatsanwaltssprecher Grünebaum noch in diesem Jahr beginnen. Ein Strafmaß forderte die Behörde noch nicht. Aber laut Strafgesetzbuch drohen den Freikorps-Mitgliedern Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. DANIEL SCHULZ