Auf Tuchfühlung

Das Hemd ist eine Urform der Kleidung. Es ist eine Zwischenschicht zwischen Körper und Oberbekleidung. Gleichzeitig galt es jahrhundertelang als letzte Bastion vor der Nacktheit: Wer nur noch im Hemd dasteht, dem hat man alles andere genommen.

In seiner heutigen Form gibt es das Hemd erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Davor galt das weiße Kleidungsstück als Teil der Unterwäsche und sein Träger hätte nicht gewagt, sich in Gesellschaft ohne Rock zu zeigen. Heute gilt in konservativen Kreisen: Erst wenn der hierarchisch Höchste das Jackett auszieht, dann dürfen auch die anderen.

Das Hemd diente zu allen Zeiten der Kommunikation. Schon im Mittelalter schützte man sich durch Hemdanlassen im Bett vor ungewollten Zugriffen von potenziellen Beischläfern. Und auch heute sind schlabbrige Nachthemden eine Alternative zu: Schatz, heute nicht. Bei Politikern symbolisieren entblößte, am besten noch hochgekrempelte Hemdsärmel in Anlehnung an Arbeitskleidung Tatkraft und Bereitschaft zum Anpacken.

Die Hemdenmanufaktur geschieht heute größtenteils automatisch. Die Maße des Kunden werden in den Cutter eingegeben, der dann automatisch das Schnittbild errechnet und den Stoff selbst zuschneidet. Hierbei werden eigentlich nie bedruckte, sondern immer nur gewebte Stoffe, also bunt gefärbtes Garn, verwendet, deren Qualität dem Produkt ein längeres Leben beschert. Um die achtzig Euro kostet ein maßgeschneidertes Hemd bei Camp & Ohff in Berlin-Charlottenburg. Rund zehn Euro billiger wird das beim diesjährigen Weihnachtstrend: Flanellhemden.