Ruhrgebiet als Doku-Soap

Bis Sonntag ist das Bochumer Kino Endstation die Haltestelle der regionalen Video- und Filmszene

BOCHUM taz ■ Die Ruhrgebiets-Hochburg der Film- und Videoschaffenden ist Bochum. Mit acht Beiträgen führt die Stadt das Ranking des 12. Festivals für Video und Film „Blicke aus dem Ruhrgebiet“ an. Dortmund und Essen folgen auf den Plätzen. Weit abgeschlagen sind Duisburg, Gelsenkirchen und Oberhausen.

Ob die Bochumer ihre Führungsposition qualitativ halten können, wird seit gestern in den Räumen des Bochumer Kinos Endstation im Bahnhof Langendreer entschieden. Dokumentationen und Fiktionen, Reales und Surreales, Minimales und Skurriles stellen sich bis Sonntag Abend dem öffentlichen Wettbewerb. Es geht um Sichtweisen aus dem Ruhrgebiet in die Welt oder von dort ins Ruhrgebiet hinein; ausgeschlossen bleiben allein kommerzielle Produktionen. Gezeigt werden sollen freie und kreative Filme, überraschende Perspektiven und hintergründige Erzählungen. In lockerer Atmosphäre treffen sich Professionelle, Semiprofis und NewcomerInnen und stehen auch dem Publikum für Diskussionen zur Verfügung.

Wieder dabei ist Fritz Netzeband aus Mülheim. Der Hobbyfilmer ist fast schon eine Blicke-Institution – nach zehn erfolglosen Anläufen gehörte er im letzte Jahr endlich zu den PreisträgerInnen. Seine häufig gemeinsam mit seiner Ehefrau produzierten Filme bewegen sich auf einem schmalen Grad zwischen Sozialdrama und skurriler Komödie. Die Signets sind Minimalismus und trockener Humor. Auch das „Agentenkollektiv“ aus Duisburg und Oberhausen ist ein Wiederholungstäter und liefert diesmal eine Koproduktion mit Christine Sohn. Die früheren Arbeiten der Preisträger von 2002 stehen für intellektuelle Abstraktionen und bieten oft Antworten auf Fragen an, von denen man nicht wusste, dass man sie sich überhaupt stellen muss. Ihre Filme sind vielschichtig, sie vermitteln nicht, wollen provozieren.

Ein anderer alter Bekannter ist der Filmemacher Christoph Böll aus Sprockhövel, der sein Filmporträt über den im März verstorbenen Bochumer Maler und Grafiker Hänner Schlieker vorstellen wird. Von zehn geschaffenen Kapiteln mit sieben Stunden Gesamtlänge, zeigt Böll im Kino Endstation das erste, mit einer Länge von 48 Minuten.

Freuen darf man sich auch auf die Musikvideo-Collage des Dortmunder Experimentalfilmers Volker Krieger und auf die Improvisation „Aufforderung zum Tanz“ von Tom Briele aus Essen. Der freie Journalist wird sich als Verliebter des Spiels mit Schnitt, Text und Instrumenten outen.

Last, but not least stehen darüber hinaus 37 weitere Wettbewerbsbeiträge aus 19 Städten auf dem Programm, die die Vorauswahl aus 185 Einsendungen überstanden haben. Preise für den Wettbewerb kommen unter anderem von der Gewerkschaft Verdi, dem WDR, der Stadt Bochum, der taz.

Umrahmt wird der Wettbewerb von drei Themenschwerpunkten: Wie schon 2003 sind Gäste aus Polen eingeladen. Die diesjährigen Filmschaffenden aus der Bergbauregion um Katowice, stellen Produktionen des Festivals WeGIEL vor und erlauben Einblicke in die junge polnische Filmszene. Die kultige Samstag N8 ist den Fans und KurzfilmproduzentInnen des Super8 Formates gewidmet. Für sie stehen ratternde Projektoren bereit und gezeigt werden darf (fast) alles, versprechen die VeranstalterInnen. BERND SCHÄFER