theater
: Parabel vom Familiengedächtnis

Dass Shelagh Stephenson in Deutschland bisher wenig bekannt ist, erstaunt, wenn man einmal in den Genuss eines ihrer Theaterstücke gekommen ist. Die Engländerin schreibt virtuose, dynamische Dialoge. Das Kölner „Inteata“ widmet sich der Dramatikerin zurzeit mit einem Autorenporträt. Nach „Fünf Arten von Schweigen“ ist jetzt auch ihr erstes Theaterstück aus dem Jahr 1997, „Das Gedächtnis des Wassers“, in einer szenischen Lesung zu sehen. Die Familienparabel basiert auf der homöopathischen Theorie, wonach sich Wasser an eine Medizin „erinnert“ und diese in höchstmöglicher Verdünnung am wirkungsvollsten ist. 2000 erhielt Stephenson für ihr Stück den „Laurence Olivier Award“ für die beste Komödie.

Komisch hört sich die Geschichte um die Schwestern Mary, Teresa und Catherine zunächst gar nicht an. Die drei sind nach Hause gekommen, um ihre Mutter zu beerdigen. Vordergründig scheinen sie sich aber mehr mit ihren Liebschaften, Ehe- und anderen Lebensproblemen zu beschäftigen. Es dauert lange, bis die Schwestern ihre Trauer zulassen können, und selbst dann gelingt es ihnen noch, sich durch Querelen vom Verlust der Mutter abzulenken.

Die Wirkung der Mutter zeigt sich in jeder der Schwestern anders. Während Mary von starker Müdigkeit gezeichnet ist und wieder in den Traum zurück will, in dem sie mit der toten Mutter sprach, glaubt die körperbezogene Catherine, das Abbild einer Dorfschlampe, eine Zyste zu haben, die ihre starken Bauchschmerzen erklären würde. Bei der spießigen Teresa ist die Mutter nur noch ein Geschmack. Immer wieder klagt sie über einen salzigen Geschmack im Mund.

„Das Gedächtnis des Wassers“ ist ein furioses, komisches und tiefgründiges Werk. Mit unglaublicher Wortgewalt und ungewöhnlichem Ideenreichtum schafft es Stephenson, eine Vielzahl unterschiedlicher Geschichten zu erzählen. Mit großer Dynamik gelingt es den SchauspielerInnen in der Regie von Julia Lorenz, die facettenreiche Geschichte zu einem Ganzen zu fügen. Die Lesung des „Gedächtnis des Wassers“ lässt auf eine szenische Bearbeitung hoffen.

sandra pingel

„Gedächtnis des Wassers“, 27.11. und 1.12., 20.30 Uhr. Inteata Köln, Melatengürtel 117, Tel. 0221/510 37 20, www.inteata.de