Champagner zum Whale-Watching?

Grootbos Private Nature Reserve, zwei Stunden östlich von Kapstadt gelegen. Ein paradiesisches Ökoresort in Südafrika, aufgebaut von zwei rückimmigrierten Deutschen. Ein Musterbeispiel für naturnahen Tourismus in einer der artenreichsten Regionen dieser Erde

Ein Glücksfall für die einheimische Natur, die hier sichere Refugien finden kann

von BERND MÜLLENDER

Michael Lutzeyer spricht gern und viel. Zeigt dabei auf der sonnendurchfluteten Holzterrasse seines Prachtresorts hierhin und redet davon und fragt seine Mitarbeiter dieses und jenes, am liebsten alles gleichzeitig. Der 50-Jährige ist die Unruhe in Person, die pralle Dynamik. Wort- und gestenreiche Anekdoten aus Fauna und Flora speisen seine Rede. Staunen in der Grootbos Private Nature Reserve. Lutzeyer erzählt von Getier und Gewächs, zeigt auf einen Fischadler am Himmel („Schaut mal, welch ein seltener Gast“) und macht das Zusammenspiel der Ökosysteme anschaulich.

Grootbos liegt gut zwei Stunden östlich von Kapstadt am Rand von Südafrikas Gardenroute. Am Hang gelegen, mit Rundblick über die weiten, weißsandigen Sandbuchten der Walker Bay, vor denen sich die Wale tummeln und drum herum kilometerweit Buschland sich ausbreitet, mit edlen Einzelcottages über das weite Anwesen verstreut, einer feinen Küche und einem Reitstall mit zehn Pferden.

Grootbos ist ein Luxus-Ökoresort mit dem 5-Sterne-Rating. „Es ist mehr ein verwirklichter Traum als ein wirkliches Business“, sagt Tertius Lutzeyer, der mit seinem Bruder Michael das Resort leitet. „Ziemlich blauäugig“ fing es an, als Michael das Land vor acht Jahren gekauft hatte und „langsam als eine Art Familienfarm ausbauen wollte“, höchstens mit ein paar Hütten für Gäste. Welch besonderes Stück Land sie erwischt hatten, musste erst ein Botaniker staunend und begeistert erklären. Von Pflanzen und Getier „hatte keiner von uns eine Ahnung“.

Grootbos heißt großer Busch. Rundum wächst Fynbos, feiner Busch ähnlich der Macchia auf Sardinien, wozu auch Lilien gehören, Iris- und wilde Geraniengewächse. Nichts, was einen vom Hocker haut, auf den ersten Blick. Erst recht nicht in einem Land, in das Besucher nicht wegen einer Gebüsch-Safari kommen, sondern wegen der „big five“ (Löwe, Gepard, Elefant, Rhinozeros, Büffel), und als Kulissentouristen wegen der Postkartenlandschaften. Wenn man aber weiß, dass Fynbos eine (die kleinste, aber artenreichste) der sechs Vegetationszonen der Erde (wie Tundra, Urwald etc.) darstellt, ahnt man schon die Bedeutung. Naturkundler sprechen beim Fynbos von einer „biologischen Sensation“.

Fast 9.000 Arten Gewächse gibt es rund um Grootbos, davon 6.500 endemische, die nur hier wachsen. Als die Lutzeyers anfingen, kannten sie kaum den „Unterschied zwischen Feinbusch und Feinwäsche“. Wie auch – als gelernte Zahntechniker, Industriekaufleute und jahrelang praktizierende Gastronomen. 650.000 Euro haben sie investiert, davon ein Viertel für die Rekultivierung der verwilderten, undurchdringlichen Krautlandschaft. Mittlerweile hat Grootbos eine Reihe Naturschutz-Awards abgeräumt, etwa die Auszeichnung „Tourism for Tomorrow“.

Rundgang durch ein Stück der 1.300 Hektar Urwald mit Heilkräutergarten. Tertius guckt und zeigt hier, zupft und erklärt da, streichelt eine Pflanze dort mit der Begeisterung eines lebenslangen Biologen. „Hier, tausend Jahre alte Milkwoods, wilde Oliven, Salbei.“ Ein Stück weiter Aloe-Pflanzen mit hexenhaft Warzen killender Wirkung, dahinter farbenprächtige Überraschungen wie die mächtig blühende Königsprotea, Südafrikas Nationalblume. Typischster Vertreter ist die gute alte Erika. Bei uns ist die Lüneburger Heide mit einer Sorte überwuchert, hier gibt es 775, darunter eine Neuentdeckung auf Grootbos und eine mit grünen Blüten. „Und die warten auf Feuer“, sagt Lutzeyer. Weiter unten gleich beim nächsten Dorf lodert gerade ein bedrohlicher riesiger Buschbrand.

Die Eltern Lutzeyer, die 1952 aus Deutschland nach Kapstadt ausgewandert waren, hatten sich intensiv gegen die Apartheid engagiert. Die Mutter wollte ihre Kinder nicht im rassistischen Unrechtsstaat groß werden sehen. Also Kinderfernverschickung der beiden Söhne zur Lehre nach Deutschland. Michael arbeitete als Handelsvertreter bei Wella („weil schönes Haar kein Zufall ist“), Tertius wurde Zahntechniker und führte später ein Café in Nassau (an der Lahn). Gleich nach Ende der Apartheid sammelte sich die Familie wieder in Südafrika. Zwischendurch zitiert Tertius manchmal Frank Zappa oder philosophiert über das Marihuana-Rauchen. Und kümmert sich mit Hingabe um seine Gäste. Einmal ist eine Dame am Pool eingeschlafen, er deckt sie mit einer Decke zu, „wegen dem Sonnenbrand“.

Grootbos ist eine Service-Oase. Alle Aktivitäten sind inklusive. Man geht an den Fuerteventura-weiten, menschenleeren Strand. Wo ist die schönste Stelle? Die Grootbos-Guides zeigen sie auf Wunsch. Zu Pferd oder zu Fuß? Oder doch lieber in die Höhlen? Hier lang, sagt die Biologin Angela, eine der angestellten Nature Guides. Vielleicht noch mal Wale heute? Da lang. Dazu ein Glas Champagner? All inclusive. Gästekinder werden derweil allein betreut; Michael hatte erzählt vom „Kinderprogramm mit Skorpionepirsch, Insekten- und Seeanemonensammeln – das fasziniert die Kids ohne Ende“.

Mittlerweile macht Grootbos eine Dreiviertelmillion Euro Umsatz und ist ein Vorzeigebeispiel, wie aus Pioniersinn, naturkundlichem Engagement und dem Ausstieg aus dem Alltag ein beglückendes Kleinunternehmen für Ökomanagement entstehen kann. Und ein Glücksfall für die einheimische Natur, die hier sichere Refugien finden kann. 52 Festangestellte, darunter Ornithologen und Pflanzenkundler, gibt es für die maximal 26 Gäste. Im südafrikanischen Sommer ist Grootbos fast jede Nacht über Wochen im Voraus ausgebucht, vor allem zur Walsaison. Überhaupt: Diese Wale, welch grandiose Dreingabe. Nirgends auf der Welt (außer im abgelegenen Patagonien) kommen die Kolosse so nah an die Küste, regelmäßig weniger als hundert Meter, manchmal kaum 50, und spulen ihr spektakuläres Programm ab. Der südliche Glattwal ist einer der größten Vertreter seiner Gattung, 15 Meter lang, bis zu 50 Tonnen schwer. Wale zu beobachten ist wie Meditation. Wenn man von den Lutzeyers dazu noch unablässig Geschichten erzählt bekommt, wird ein kurz geplantes Whale Watching am Strand zum Halbtagesausflug. Die Glattwalmännchen haben den größten Hoden aller Tiere mit dem Gesamtgewicht eines Kleinwagens (2 mal 500 kg), die Muttertiere geben 600 Liter Milch am Tag. Kurios: Eine Bucht weiter, kaum 20 Kilometer weg, lebt der Weiße Hai in großer Zahl. „ ‚White sharking‘ ist übrigens die Hauptattraktion für die amerikanischen Gäste“, sagt Tertius Lutzeyer.

Für ihre mehrheitlich schwarzen Angestellten haben die Lutzeyers ehrgeizige Ziele. Gerade wurde, erstmalig in Südafrika, eine Gärtnerschule eröffnet; einem Kellner wird ein Barkeeperkurs bezahlt, eine Hotelfachausbildung ist geplant. Es sind Schwarze wie Richard, Moses und der schelmische Silence, der durch seine witzige Geschwätzigkeit noch jedem Rheinländer Konkurrenz machen würde. Die Kellner verdienen 200 bis 250 Euro. Das klingt nicht eben nach viel, auch bei Südafrikas niedrigem Preisniveau. Immerhin: Damit können sie sich einen kleinen Wohlstand wie Steinhäuser leisten und vier oder fünf andere miternähren.

Lutzeyer: „Viele Besucher fragen immer: Sind die denn glücklich? Ich sage dann: Leider wird Glück immer mit Materiellem verglichen. Wir zahlen immerhin mehr als doppelt so viel wie im Supermarkt.“ Und er vergleicht: „Ich hab bei meiner Lehre in Deutschland vor gut 20 Jahren 160 Mark verdient, nebenbei das Labor geputzt und Englischunterricht gegeben, in einem fürchterlichen Haus auf 10 qm gelebt mit Halbkriminellen, Kohleheizung und Klo auf ’m Flur. Mir ging’s blendend, ich war König und richtig glücklich.“

An diesem Abend hatte sich der Koch von Grootbos bei seinem zungenbezaubernden Viergänge-Dinner besondere Mühe gegeben. Als Hauptgang gab es ein feines Kartoffelmus mit dem Aroma junger Kap-Äpfel. Da jubelte der Rheinländer im Autor: Himmel un Ääd auf Südafrikanisch. Nur dass Silence, der Scheinrheinländer, dazu keine Blutwurst servierte, sondern kondomzarte Filets wahlweise von Rind, Strauß oder Kudu-Antilope.

Infos: www.grootbos.com, Tel. 00 27-28-3 84 03 81. Pro Nacht pro Person im Luxus-Appartment ca. 160 Euro (incl. oppulentem Frühstück und Dinner, Reiten, Ausflüge und Führungen, auch individuell nach Wunsch). Buchbar direkt oder über alle großen Anbieter