Immer nur das Eine

Die Theatergruppe Pschyrembel hat in „Heimatruh“ keine Probleme mit Tabuthemen

„Der Neue ist so überflüssig wie der Restposten Kotztüten einer pleite gegangenen Fluglinie“, schimpft Johann im typischen Umgangston des Pflegeheims „Heimatruh“. Diese Anstalt ist Schauplatz des gleichnamigen Stückes der Theatergruppe Pschyrembel, einem Ensemble, das ausschließlich aus Menschen mit körperlichen Behinderungen besteht. Mit „Heimatruh“ hatte am Mittwoch das zweite Stück von Pschyrembel Premiere im Theater am Leibnizplatz.

Viel gestritten wird da im Pflegeheim „Heimatruh“, und zwar im Vorfeld der alljährlichen Faschingsfeier. Dabei wirkt die Inszenierung zunächst etwas flach, doch als Manni Laudenbach als aggressiver Casanova-Verschnitt Johann auftaucht, tauen die SchauspielerInnen auf und entwickeln mitreißende Spielfreude. Vor allem Ria Burghardt erntet für ihre erotisch-ironische Darstellung der mannstollen Gerda mehrfach Szenenapplaus.

Das Tabuthema „Behinderte und Sexualität“ wird nicht nur nicht ausgespart, sondern entwickelt sich zum Hauptthema: Die Rollstuhlfahrerin Gerda und der kleinwüchsige Manni haben trotz ihrer Unterschiede und Einschränkungen kaum andere Gesprächsthemen oder auch Beschäftigungen. Der intellektuelle Gentleman Titus Ehrenfried (Klaus Schmöcker) schwärmt zunächst in großen Worten von der „Erotik im Kopf“ und zitiert romantische Liebesgedichte – doch dann kommt heraus, dass er in seiner Zeit als Lehrer Schülerinnen und Kolleginnen missbrauchte.

Dazwischen werden immer wieder politisch unkorrekte Witze über Behinderte auf der Bühne gemacht, und dennoch lacht man nicht über die Charaktere, sondern mit ihnen. Mitleid erregt nur der „völlig normale“ Hausmeister Sieghart (Rudolf Höhn), die einsamste Seele im Pflegeheim: Als bei der Faschingsfeier alle Bewohner und Pfleger miteinander tanzen, sitzt er stumm daneben.

Aber auch für die anderen ist das Fest nicht wirklich ein Spaß – eigentlich wollen sie alle hier weg, und verlassen werden sie vom abgehalfterte Komiker Friedhelm Brütsch (Dieter Bohn), den der Tod (Wiebke Willer) – in Hawaiihemd und mit Basecap – holt. Das Leben in „Heimatruh“ geht trotzdem weiter wie bisher, mit allen Enttäuschungen und Gemeinheiten. Und mit der Sympathie der Zuschauer, die sich den Abend über entwickelt hat. Ulrike Schröder

nächste Vorstellung am 2. Dezember, Karten 6-8 Euro, ☎ 500 333