Wilder Ritt im rechtsfreien Raum

Trotz Verbots durch die Stadt hält Zirkusdirektor Alberto Althoff an seiner Nashornshow fest. Tierschützer monieren: „Nashörner gehören in keinen Zirkus.“ Eine Gesetzesinitiative im Bundesrat fordert ein generelles Haltungs- und Auftrittsverbot für Wildtiere und die Einführung eines „Zirkus-TÜV“

VON JOHANNES ZENNER

3,5 Tonnen graue Masse schieben sich durch die Manege. Rafiki dreht drei Runden durch das Zirkusrund, dann spring der Dompteur auf den Rücken des Tieres. Unbeeindruckt trabt das Breitmaulnashorn weiter. Kein Schnauben, keine Nervosität – alles Routine für Rafiki und Direktor Alberto Althoff.

Althoffs Nashornshow am Südstadion ist eine Rarität. Deutschlandweit stehen nur noch drei Rhinozerosse in Zirkusdiensten. Die Behörden stehen den Wildtiereinsätzen in Zirkussen skeptisch bis ablehnend gegenüber. So muss laut Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes eine Genehmigung des Stammlandes des Zirkus‘ vorliegen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann das örtliche Veterinäramt ein Auftrittsverbot erlassen.

Die Kölner Amtstierärztin Claudia Behlert stattete Althoff einen Besuch ab und verbot den Auftritt: „Die Genehmigung war abgelaufen“, sagt sie. Doch Althoff legte Widerspruch ein, er tritt weiter mit seinem Nashorn auf. „Was können die mir schon anhaben“, sagt er, auf das anstehende Bußgeld angesprochen, schulterzuckend. Tatsächlich ist die Stadt in solchen Fällen weitgehend machtlos. Bis ein Bußgeldverfahren gegen Althoff eingeleitet ist, hat der mitsamt Zirkus die Stadt und vermutlich das Land längst in Richtung Holland verlassen.

Neben den fehlenden Papieren hat die städtische Tierärztin auch generell Zweifel an der Zirkustauglichkeit von Nashörnern. Diese Tiere seien „keine typischen Dressurtiere“ und für das stressige Nomadenleben der Zirkusse nicht geeignet, erklärt Behlert. „Sie sind sehr sensibel und empfindlich gegen feuchte Kälte.“

Auch Laura Zimprich von der Düsseldorfer Tierschutzorganisation „animal public“ hat erhebliche Einwände gegen die Nashornhaltung. „Diese großen Tiere können in Zirkussen nicht artgerecht gehalten werden.“ Kurzum: „Nashörner gehören in keinen Zirkus“. Allerdings könne man Althoff kaum von seinem Nashorngalopp abhalten, da er sich mit seiner Nummer in „einem luftleeren Rechtsraum“ befinde, sagt Zimprich. Damit spielt die Tierschützerin auf die geltenden „Leitlinien“ zur Haltung von Wildtieren an, die ohne bindende Gesetzeskraft von den Bundesländern höchst unterschiedlich ausgelegt werden.

Um hier Klarheit zu schaffen, hat die hessische Landesregierung im Bundesrat eine Gesetzesinitiative gestartet, die den Auftritt von Wildtieren in Zirkussen gerenell verbieten soll (s. Kasten). Darüber hinaus fordert die tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, ein Zentralregister für alle Zirkustiere in Deutschland mit einem begleitenden „Zirkus-TÜV“. Durch einen solchen TÜV würden Zirkusse während der Zeit ihres Winterquartiers auf die Einhaltung aller Tierhaltungs- und Transportbedingungen überprüft, erklärt Hämmerling. Auch Direktor Althoff hätte „gar nichts dagegen, weil tatsächlich gerade kleine Zirkusse oft schlecht mit ihren Tieren umgehen“.

Sein Zirkus würde vermutlich auch locker durch den Tier-TÜV kommen. Vor einer Woche wurde Rafiki von Veterinärin Behlert untersucht. Ihr Urteil: Der Käfig sei mit 2,5 mal 10 Metern durchaus groß genug für den Dickhäuter. Auch an dessen Gesundheitszustand hat sie nicht viel auszusetzen. Das Nashorn sei „fit“. Für den Zirkusdirektor ist das selbstverständlich, schließlich verfüttere er täglich „90 kg Kraftfutter und Heu“ an seinen gepanzerten DSchützling. Sie seien „seit 16 Jahren ein erfolgreiches Team“, erzählt Althoff. Rafiki habe er im holländischen Safaripark „Beehse Bergen“ in Tilburg gekauft. Dort sei sein Nashorn auch geboren und habe nie ein Leben in Freiheit kennen gelernt. Althoff versichert, dass er Rafiki lediglich durch ausgiebiges Belohnen und mit einer zweijährigen Gewöhnungsphase zum Paradelauf durch die Manege gebracht hat. Dressur verlange nach „Geduld, nicht Gewalt“, beteuert der 48-Jährige. Mittlerweile verbinde ihn und Rafiki eine Art „Vater-Sohn-Beziehung“. Deshalb wisse er am besten, dass für Rafiki der Manegenritt „eine Freude und keine Qual ist“.

Die Diskussion um ein generelles Auftrittsverbot für Wildtiere bringt ihn daher geradezu in Rage. „Ein Zirkus ohne Tiere hat keine Zukunft“, ist Althoff überzeugt, „sonst wäre es Varieté.“ Er selbst lässt inzwischen wegen all der Querelen Hauskatzen und holländische Kühe auftreten: „Eine Attraktion fürs Publikum“, findet er. Und eins will Althoff noch loswerden: Auf Matschplätzen wie dem am Südstadion könne er seinen Tieren keinen angemessenen Auslauf bieten. Außerdem würde es Zirkussen in Deutschland nicht leichter gemacht, wenn sie zwei Tage auf einen Wasseranschluss warten müssten – wie er in Köln.