Auf Merkels Pfaden

Wolfgang Zöller, neuer CSU-Fraktionsvize, ist ein Netter. Und anders als Vorgänger Seehofer berechenbar und brav

BERLIN taz ■ Wenn Wolfgang Zöller heute offiziell zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Unionsfraktion und damit zum Nachfolger Horst Seehofers gewählt wird, haftet ihm das Etikett „ruhig, solide, ausgleichend“ schon an. So wurde er von vielen beschrieben, die Zöllers Wirken als Vizechef des Gesundheitsausschusses, als CSU-Bundestagsmitglied seit 1990 und zuvor als Lokalpolitiker in Obernburg am Main beobachtet haben.

Nach Zöllers gestrigem Auftritt im Bundestag lässt sich diese Beschreibung ergänzen durch „berechenbar, langweilig, ausweichend“. Um keinen Fußbreit verließ er die rhetorischen Trampelpfade der Unions-Gesundheitspolitik: bezeichnete die rotgrüne Bürgerversicherung als „Bürgerzwangsversicherung“, weil zum Konzept gehört, auch privat Versicherte mit ins allgemeine Gesundheitssystem einzubeziehen. Rühmte am Kopfpauschalenmodell der Union, dass Gesundheits- von Arbeitskosten entkoppelt würden und Besserverdienende in den „solidarischen Ausgleich“ mit einbezogen würden. Die Bitte des SPD-Abgeordneten Peter Dreßen, dies genauer zu erläutern, erfüllte er nicht, sondern prophezeite: „Sie werden sich noch wundern, wie gut unsere Vorschläge in diesem Haus noch beraten werden.“

Horst Seehofer saß derweil in einer hinteren Reihe und schaute seinem Nachfolger zu. Bei Dreßens Einwurf kicherte er, hatte seine Gesichtszüge aber schnell wieder unter Kontrolle – mit einem raschen Blick Richtung Fernsehkameras. Er hat angekündigt, nach den Aufregungen der vergangenen Wochen demnächst Ruhe in einem oberpfälzischen Benediktinerkloster suchen zu wollen. Ob dies seiner Zukunft als CSU-Vize nützt, sei dahingestellt. Seehofer ist wegen seiner Kritik am Kopfpauschalen-Kompromiss von CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber nun in der gesamten Union isoliert. In München wird mittlerweile offen darüber räsoniert, ob er überhaupt noch für ein Amt taugt.

Zöller war übrigens einer der ersten, die Seehofer in den Rücken fielen – im Juni 2003. Damals protestierte der bis dahin unangefochtene Unions-Gesundheitsexperte gegen den Merkel-Stoiber-Kompromiss zur „kleinen Kopfpauschale“ beim Zahnersatz und schwänzte Fraktionssitzung wie Bundestagsdebatte. Zöller zur taz: Seehofer müsse „seine Meinung ändern oder seinen Posten“.

Bis dahin hatte Zöller in Gesundheitsfragen nie etwas anderes vertreten als Seehofer: freie Arztwahl, gegen Budgetierung, Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge. Mit eigenen Ideen war er zuletzt in anderen Bereichen aufgefallen: Anfang 2003 präsentierte er ein hart rechtes Positionspapier gegen Zuwanderung. Die CDU bedankte sich für diese Argumentationshilfe. Im Fraktionsvorstand zieht mit Zöller ein klassisch-katholischer Konservativer ein, von dem dort niemand Widerworte erwarten braucht. Wie praktisch. UWI