„Frage, was Du für den Arbeitsmarkt tun kannst“

Nicht warten, bis eine Stelle frei wird – zur Firma hingehen und sagen: Auf mich habt Ihr schon lange gewartet. Das ist das Prinzip von „Life/Work-Planning“. Bislang suchten darin vor allem AkademikerInnen ihr Heil. Der Beschäftigungsträger Bras versucht es nun mit arbeitslosen Jugendlichen

Bremen taz ■ Am Morgen ist Mareike auf dem Tierfriedhof gewesen und hat mit den Bestattern geplaudert. Jetzt ist sich die 23-jährige sicher: Tier-Bestatter – das wird er nicht, der Traumjob. Muss er auch nicht, war ja erstmal nur zur Übung. Der Ausflug zum Friedhof ist Teil eines Kurses des Bremer Beschäftigungsträgers „Bras“. Arbeitslose Jugendliche aus Bremen-Nord sollen hier lernen, in Firmen zu gehen und zu sagen: „Ich kann was, was Ihr dringend braucht – stellt mich ein“. Ein neuer Versuch, ein anderer Versuch, einen Job zu bekommen: 3.854 junge Menschen waren im September in Bremen ohne Arbeit.

„Life/Work-Planning“ heißt die Methode, die die Bras mit den 26 Jungen und Mädchen trainiert. Sie sollen lernen, die Initiative bei der Arbeitssuche umzukehren: Nicht warten, dass eine Stelle ausgeschrieben wird, sondern selber losgehen und der „Lieblingsfirma“ die eigenen Fähigkeiten anbieten. Frage nicht, was der Arbeitsmarkt für Dich tun kann, frage, was Du anbieten willst – die Methode stammt aus den USA. Bislang gibt es in Deutschland solche Kurse hauptsächlich an Universitäten, für AkademikerInnen.

Die Bras probiert das Konzept nun erstmals mit Jugendlichen, die nur schwer Arbeit finden – ohne Schulabschluss, Lehre abgebrochen, lange arbeitslos. „Es ist ein Experiment“, sagt Uwe Lange, Geschäftsführer der Bras.

Fünf Tage haben er und sein Team mit den Jugendlichen im Freizeitheim in Bremen-Burg zusammengesessen und gesammelt: Was macht mir Freude? Billard spielen. Reden. Auto fahren. Dann gegrübelt: In welchem Bereich würde ich das gerne einsetzen? Im Spielsalon. In einer Parfümerie. Beim TÜV. „Es geht darum, von den eigenen Fähigkeiten auszugehen, nicht von vorgefertigten Arbeitsplatzbeschreibungen“, erklärt Trainerin Julia Glöer die Methode.

Schrittweise sollen die Jugendlichen sich in den kommenden Monaten ihrem „Traumjob“ nähern: Zu Firmen gehen und mit den Angestellten über deren Zufriedenheit im Job sprechen. Rausfinden, welches Unternehmen zu ihnen passt. Ausarbeiten, welchen Job man der Firma anbieten möchte. „Am Anfang war es schwer“, erzählt die 18jährige Jenny, die in diversen Kindertagesstätten nachhakte. „Ich hab mich versprochen und manchmal sogar vergessen, mich vorzustellen.“

86 Prozent aller Menschen, die einen Life/Work-Planning-Kurs besuchen, finden innerhalb von 12 Monaten einen Job, preist John Webb, Life/Work-Planning-Guru in Deutschland, seine Methode in Interviews an. Und Trainerin Julia Glöer erzählt von KursteilnehmerInnen, die merkten, dass sie gerne basteln, und heute die Kulisse bei der Tatort-Produktion mitgestalten. „Wir backen hier kleinere Brötchen“, meint Uwe Lange. Die Jugendlichen sollen lernen, Kontakte zu knüpfen, die Scheu vor Firmen abzulegen. Und ein anderes Selbstbewusstsein entwickeln: Wissen, dass sie etwas können, etwas anzubieten haben. „Die meisten Jugendlichen hier denken doch, es gibt keine Jobs und schon gar nicht für sie.“

Dass es in Deutschland mehr Arbeitsplätze durch Life/Work-Planning gibt, ist bislang nicht bewiesen. Es ist eine Bewerbungsmethode – kein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Zwar verweisen Fans der Methode immer wieder darauf, dass mancher Unternehmer sich entschließt, eine neue Stelle zu schaffen, wenn ihn ein Life/Work-Planning-Bewerber überzeugt. Unklar ist aber, ob er dafür nicht letztlich eine andere Stelle einspart, einen anderen Menschen entlässt. Uwe Lange glaubt: „Vielleicht ist die Methode nicht das Ei des Kolumbus, aber gegenüber dem absurden Tipp: ‚Schick doch mal zehn Bewerbungen los!‘ ist es doch eine echte Alternative“.

Dorothea Siegle