espressofahrt mit oma von RALF SOTSCHECK
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Die Arbeit in München war getan, mein Rückflug nach Dublin ging erst abends, so dass ich mich auf einen entspannten Tag in der bayerischen Landeshauptstadt freute. Mein Freund Jan H. schlug ein kleines italienisches Café in Schwabing vor, wogegen ich nichts einzuwenden hatte. Es gebe dort guten Wein, sagte Jan und leitete damit das Unheil ein.

Zum Flughafen dauere es höchstens eine Stunde, selbst wenn ich vorher noch meinen Koffer im Hotel in Unterföhring abholen müsse, behauptete Jan und bestellte noch einen Wein: „Liegt ja praktisch auf dem Weg. Du fährst mit der Tram zum Stachus, dann mit der S-Bahn nach Unterföhring und dort nimmst du ein Taxi. Am Flughafen kannst du dann noch ein Nickerchen machen.“ Jan, der Drehbücher für den „Tatort“ schreibt, hat offenbar auch im Alltag eine Vorliebe für Finten und für Spannung.

Der Bahnhof von Unterföhring ist eine Baustelle. Man muss über eine wacklige Eisentreppe klettern und ein Viertelstündchen am einsamen Bahndamm entlanggehen, bevor man auf menschliche Behausungen trifft. Den von Jan avisierten Taxistand gab es nicht. Es gab überhaupt nichts weit und breit, außer kleinen Einfamilienhäusern. In einem brannte Licht. Ob sie eine Taxi-Rufnummer im Ort hätten, fragte ich. Der Taxiunternehmer sagte, er habe keinen Fahrer, aber er werde wegen meiner misslichen Lage seine Großmutter mit ihrem schwarzen Audi schicken. Eine Kaffeefahrt mit der Großmutter? Das Flugzeug konnte ich abschreiben.

Nach wenigen Minuten bog ein Wagen mit quietschenden Reifen um die Ecke. „Einsteigen!“, befahl die Fahrerin mit grauer Dauerwelle. Beim Anfahren wurde ich in die Sitze gepresst, vermutlich hatte sie den Motor frisiert. „Wir nehmen die Landstraße“, entschied sie. „das geht schneller als die Autobahn.“ Die Landschaft huschte an mir vorbei, bis uns ein gesetzestreuer Lieferwagen zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit zwang.

„Jo mei“, bayerte sie und sagte (in hochdeutscher Übersetzung): „Dem kann man ja beim Fahren die Reifen wechseln.“ Sie überholte ihn auf einem unübersichtlichen Straßenabschnitt, musste direkt vor ihm wieder einscheren und auf die Bremse steigen, weil die Ampel rot war. Der Lieferwagenfahrer war zunächst überrascht, doch dann wurde er wütend. Er betätigte pausenlos Hupe und Lichthupe. „Ja, was hat er denn“, meinte Großmutter mit Unschuldsmiene. Ich winkte ihm entschuldigend zu, was er offenbar als gestreckten Mittelfinger interpretierte und ausstieg. Zum Glück schaltete die Ampel auf Grün.

Vor der nächsten Ortschaft zog die Formel-1-Oma an drei Autos vorbei, obwohl uns jemand entgegenkam. Ich quietschte vor Angst, aber sie meinte ungerührt: „Des passt scho. Bei mir hat noch nie jemand das Flugzeug verpasst.“ Danach muss ich ohnmächtig geworden sein und kam erst am Flughafen wieder zu mir.

Die Maschine war bereits startklar, aber es gab noch einen Mittelsitz. Ich zwängte mich schweißgebadet zwischen die beiden frisch geduschten und entspannt aussehenden Passagiere, die sicher mit keinem Jan befreundet sind. Sie rückten so weit ab von mir, wie es in einem Flugzeug möglich ist.