Wünsche tütenweise

Nach Hausfrauenart: In Lokstedt produziert die einzige Keksmanufaktur Norddeutschlands – mit „viel Zeit und Liebe“, dafür ohne Zusatzstoffe

von Helga Jahnke

Zimt? Vanille? Kekse! Der Duft von frisch gebackenen Plätzchen verrät den „Keksbäcker“. Versteckt in Lokstedt betreiben die Konditoren Silke Sander-Tandetzki und Jürgen Tandetzki hier mit zwölf Mitarbeitern die einzige Keksmanufaktur Norddeutschlands. Vor 14 Jahren haben sie ihre Familien-Bäckerei-Kette verkauft und sich stattdessen Maschinen für die Keksproduktion zugelegt. „Damals wurde ich von allen für verrückt erklärt“, erzählt Jürgen Tandetzki, „aber im Nachhinein war es genau die richtige Entscheidung. Heute hat kein Bäcker mehr die Zeit, auch noch Kekse zu backen, und da springe ich dann ein.“ Und expandiert „glücklich und zufrieden“ in dieser Nische.

Glücklich auch wegen der Arbeitszeit: Als Bäcker hatte er eine sechseinhalb-Tage-Woche, von 2 bis 20 Uhr – schließlich warteten die Kunden täglich ab sieben Uhr auf frische Brötchen. „Jetzt“, sagt Tandetzki vergnügt, „arbeite ich täglich von 7 bis 16 Uhr, freitags bis 14 Uhr, und mache Betriebsferien, drei Wochen im Sommer und zwei im Winter, gleich nach Weihnachten.“

Etwa zwei Tonnen Kekse stellt er in der Woche her – in 40 Sorten, mit Saisonprodukten bis zu 50. Die Kekse werden ohne Zusatz-Konservierungsstoffe gebacken, so sind sie auch nur sechs bis zwölf Wochen haltbar. Für Supermärkte kann er deshalb nicht produzieren: „Der Vorlauf dort ist zu lang“, sagt Tandetzki. „Die Logistik von der Herstellung bis zum Kaffeetisch der Kunden beträgt ein drei viertel Jahr. In der Zeit wird Butter ranzig, der Geschmack kippt. Wir haben uns auf die kurzen Wege spezialisiert.“ Er beliefert Hamburger Hotels, Betriebskantinen, ausgewählte Confiserien, den Senat und „den Bürgermeister persönlich“.

Die Akquise läuft hauptsächlich über den persönlichen Kontakt. „Man kennt einen, der wieder einen kennt. Das ist die beste Visitenkarte.“ Oder er geht mit Sortiment und Preisliste direkt zum Küchenchef von Großunternehmen. Auf diese Weise hat der Keksbäcker Unilever als Kunden gewonnen. Dem benachbarten Springer-Verlag war er zu teuer. „Wenn die sagen: ‚Ja, aber woanders krieg ich die Dose Kekse für soundsoviel – da brauch ich gar nicht weiterzureden. Da kann ich nicht mithalten, und das will ich auch gar nicht.“ Dafür akzeptiert er Sonderwünsche, bringt zum Beispiel zu Jubiläen das Firmenlogo auf die Kekse. Aber es muss machbar und bezahlbar sein. Der Vorlauf bei einer solchen Sonderbestellung beträgt etwa eine Woche – die Zutaten müssen eingekauft, der Teig gelagert werden.

Die Weihnachtsproduktion beginnt im Mai. Dann wird der Teig für die Braunen Kuchen angesetzt – damit die Enzyme Zeit haben, sich zu entwickeln, erklärt der Fachmann. „Zum Backen braucht man keine Chemie – nur Zeit und ein paar Plastikeimer.“ Im August bäckt Tandetzki sein ganzes Weihnachtssortiment einmal durch, um es den Kunden zu präsentieren. Das eigentliche Backen geht dann im September los.

Er bäckt nach „Rezepten, wie sie jede Hausfrau nimmt oder jeder Konditor vor 50 Jahren“. Wenn er ein neues Rezept entwickelt hat, probieren als Erstes seine Frau und die Mitarbeiter, dann gleich die Kunden. „Wir haben auch schon manches, was wir selbst toll fanden, wieder aus dem Sortiment genommen, weil es einfach nicht lief.“ Die Rezeptentwicklung ist zeit- und arbeitsintensiv, deshalb gibt er Keksrezepte nicht weiter. Nur zwei Zutaten gibt er preis: „viel Liebe und Zeit“.

Der Teig wird maschinell geknetet, ausgerollt und in Form gebracht, der Rest, das Füllen, Ausgarnieren und Verpacken, ist Handarbeit. Die Kekse werden zu 100 bis 200 Gramm in Zellophan verschweißt und etikettiert. Die meisten verlassen die Bäckerei in weißen Kartons, einige landen aber auch in den Regalen des kleinen Betriebsladens. Hier kann man bei einer Tasse Kaffee probieren und sich beraten lassen: Welche Kekse schmecken besonders gut zu Tee, welche zu Kaffee? Etwa 1,50 bis 2,50 Euro müssen für 125 Gramm der feinen Plätzchen bezahlt werden; „Den Wiehnachtsmann sein Stuten“, ein 150-Gramm-Ministollen, gibt es für unter zwei Euro und in diesem Jahr auch mit Schokolade.

Kein Wunder, dass der Keksbäcker jedes Jahr ein Kilo mehr auf die Waage bringt, trotz Sport. „Wenn ich zum Beispiel beim Baumkuchenmachen bin, bleibt da immer der Anschnitt übrig, weich und klitschig. Das lass‘ ich erstmal liegen, für die Mitarbeiter oder die Kinder. Aber wenn das bis abends keiner aufgegessen hat ...“ Warum sollte es ihm auch besser gehen als seinen Kunden.

Der Keksbäcker, Sortmannweg 10, 22529 Hamburg, www.der-keksbaecker-hamburg.de. Öffnungszeiten des Betriebsladens: Di, Mi, Do 9–18 Uhr. Betriebsferien vom 23. 12.–10. 1, deshalb gibt‘s am 22. 12. die „Aktion Urlaubsverkauf – alles Gebäck darf raus“