Permanenter Einspruch

„Dazu darf nicht geschwiegen werden“: Der Komponist Klaus Huber wird 80. Am Montag ist seine Musik im Rathaus zu hören

Seit zehn Jahren lebt er in Bremen. In dieser Zeit hat der Schweizer Komponist Klaus Huber, der am kommenden Dienstag achtzig Jahre alt wird, 22 Werke geschrieben, große Werke, darunter die Oper „Schwarzerde“ nach Texten von Ossip Mandelstam. Eine fast erschreckende Schaffenskraft, möchte man einerseits meinen, die aber doch auch selbstverständlich ist, denn Klaus Hubers Komponieren ist permanenter Einspruch gegen den Lauf der Welt, heute mehr denn je, beachtet man allein seine Titel.

„A Voice of Guernica“ hat er in diesem Jahr geschrieben, am Montag erlebt das Stück anlässlich eines Geburtstagskonzertes seine deutsche Erstaufführung. Klaus Huber reagierte auf die Rede des US-Außenministers im März 2003, als der längst vorbereitete Präventivkrieg gegen den Irak angekündigt wurde: im Saal der Vereinten Nationen wurde für diesen Zweck Pablo Picassos „Guernica“ verhängt. „Dazu darf nicht geschwiegen werden“, so Klaus Huber. Und wählte ein Gedicht von Ariel Dorfman, der seinerseits auf „diesen Skandal“ (Huber) antwortet.

Die Verschränkung, ja die Einheit von politischem Protest und künstlerischer Äußerung kennzeichnet das Lebenswerk von Huber seit nunmehr sechzig Jahren. Wenn einer die Überzeugung aufrecht hält, dass Ästhetik politischer und moralischer Motivation entspringt, dass der Spagat und Bruch zwischen Kunst und Wirklichkeit ein stets neu und häufig schmerzhaft auszuhaltender ist, dann ist es neben seinem großen Kollegen Luigi Nono Klaus Huber.

„Ich versuche“, beschreibt der Jubilar sein Selbstverständnis, „in der Musik, die ich mache, das Bewusstsein meiner Zeitgenossen, die wie wir alle zu schlafenden Komplizen weltweiter Ausbeutung geworden sind, hier und jetzt zu erreichen, zu wecken.“

In den letzten Jahren hat er sich – ausgelöst durch die antiarabische Propaganda während des Golfkrieges – hauptsächlich mit außereuropäischen Tonsystemen auseinander gesetzt, mit Mikrotonalität und Dritteltönigkeit. Im Konzert wird „… die Seele muss vom Reittier steigen …“ nach einem Text des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwisch gespielt, ein Werk, dessen gesamte intervallische Struktur auf traditionellen arabischen Modi beruht. So bekämft er den europäischen Kulturimperialismus ebenso wie alle Erscheinungen einer so genannten Weltmusik.

Als Professor für Komposition hat Huber in Freiburg unzählige Schüler unterrichtet, die großen oder sagen wir lieber die begabten der nächsten Generation gehören dazu. Sein Schüler Brian Ferneyhough: „Es ist zu hoffen, dass Hubers einzigartige Kombination von Fragilität des Ausdrucks und beharrlicher Strenge der Ausführung auch weiterhin Kopf und Herz all derer bewegen wird, die bereit sind, sich dieser Musik mit der umfassenden Geisteshaltung auszusetzen, aus der heraus sie geschrieben wurde.“

Ute Schalz-Laurenze

Die Uraufführung von „A Voice of Guernica“ findet am Montag (20 Uhr) in der Oberen Rathaushalle statt. Der Eintritt ist frei