Rolltreppe gefährdet Weltkulturerbe

Am Samstag ging in Essen eine Tagung zu Ende, die sich auch mit den Plänen für ein Ruhrmuseum auf der Zeche Zollverein beschäftigte. Ein kontroverses Vorhaben, das der Zeche ihren Status als Weltkulturerbe kosten könnte

Es soll die „längste frei stehende Rolltreppe der Welt“ werden, eine Gangway, die 24 Höhenmeter überwindet. Für die einen stellt sie eine Bereicherung dar, für andere aber steht sie stellvertretend für die Verschandelung eines Industriedenkmals. Denn in 24 Metern Höhe wird die Rolltreppe nicht etwa in einen Neubau stechen, sondern in die alte Kohlenwäsche auf der Essener Zeche Zollverein. Ein Vorhaben, das inzwischen eine hitzige Debatte in Gang gesetzt hat.

Als sich am Wochenende auf Zollverein Wissenschaftler aus ganz Deutschland zu einer Tagung unter dem Titel „Wahrnehmung und Erkenntnis im Museum“ trafen, beherrschten letztlich zwei Fragen die Diskussion: Wie viel Veränderung verträgt die Substanz eines Industriedenkmals? Und inwieweit darf man in sie eingreifen, ohne dass dabei ihr historischer Wert verloren geht?

Im Kern dreht es sich bei diesem Streit um die Pläne, in der Kohlenwäsche auf Zollverein das neue Ruhrmuseum zu installieren. Bis 2006 soll im Herzen des Weltkulturerbes der Nachfolger des heutigen Essener Ruhrlandmuseums entstehen. Dazu wird das Gebäude nach Plänen der Architekten Rem Koolhaas und Heinrich Böll umgebaut, was unter anderem bedeutet, dass nicht nur eine Rolltreppe die Fassade des Hauses durchbricht, sondern auch im Innern Veränderungen vorgenommen werden. Das Vorhaben ist allerdings derart umstritten, dass mittlerweile sogar „Icomos“, der Internationale Rat für Denkmalpflege, ermittelt. Die Konsequenz dieser Ermittlungen könnte sein, dass sich Zollverein bald da wiederfindet, wo auch der Kölner Dom notiert ist: auf der roten Liste der gefährdeten Weltkulturerbe.

Für Denkmalschützer nämlich sind Veränderungen wie besagter Rolltreppen-Bau nur schwer zu ertragen. „Man kann nicht alles bis zur Unkenntlichkeit umnutzen“, sagte die Delegierte der Kultusministerkonferenz beim Welterbekomitee der Unesco, Birgitta Ringbeck, bei der abschließenden Podiumsdiskussion am Samstag. Nicht die Geschichte des Ruhrgebiets sei hier zum Weltkulturerbe ernannt worden, sondern die Architektur und Technik dieser Zeche. Von der Idee, im „begehbaren Exponat“ ein Museum zu beheimaten, hält Ringbeck gar nichts: „Wir können unser industriekulturelles Erbe doch nicht mit einer Ausstellung nach der anderen zumüllen“, schäumte Ringbeck. Die Kohlenwäsche werde auf diese Weise zerstört.

Dabei hatte sich Ulrich Borsdorf, Direktor des Ruhrlandmuseums, in seinem einführenden Vortrag alles so schön zurechtgelegt. Er sprach davon, wie ähnlich die Funktionen eines Museum und jene der Kohlenwäsche seien, in der die Kohle früher unter anderem separiert, sortiert und gespeichert wurde. Er sprach von der zentralen Lage des Museums, das auch als Quelle für hier entspringende Besucherströme quer durchs Revier dienen soll. Selbst der Einbau der Rolltreppe hat für Borsdorf einen tieferen Sinn: So sollen die Besucher über die gläserne Gangway auf die Verteilerebene, sozusagen die Gegenwarts-Abteilung des Museums gehoben werden, um sich schließlich – ganz symbolisch – in die Revier-Geschichte „hinab zu graben“. Dabei soll das Ruhrmuseum insbesondere die große Sammlung des heutigen Ruhrlandmuseums in sich aufnehmen, rund drei Millionen „Sachen“, wie Borsdorf sagt. Generell solle das neue Museum „keine andere Funktion im Konzert der Revier-Museen“ einnehmen wie das Ruhrlandmuseum.

Eins ist jedenfalls sicher: Wird Zollverein durch den Umbau wirklich als „gefährdetes Weltkulturerbe“ eingestuft, wirft das ein trübes Licht auf die Region, die Kulturhauptstadt 2010 werden will.

BORIS R. ROSENKRANZ