Ein Ausweis – sie alle zu identifizieren

Die Bayer AG hat in der chinesischen Sonderverwaltungszone Macao eine neue Identitätskarte eingeführt. Jetzt lockt der riesige gesamtchinesische Markt mit 900.000.000 Kunden. Westeuropa wird vermutlich erst später interessant

Auch in westlichen Ländern werden sich biometrische Daten in Ausweisen durchsetzen – allerdings langsam

VON ELMAR KOK

1.300.000.000 Menschen als Kunden zu gewinnen, davon träumen Kapitalisten, wenn sie an eine Öffnung des chinesischen Marktes denken. Die Leverkusener Bayer AG hofft, dass in Zukunft 900.000.000 Chinesen Bayer Plastik mit sich herumtragen. Sie sollen bald eine ID-Card bekommen, die unserem Führerschein ähnlich ist.

Das chinesische Dokument wird nur viel mehr können. In der ehemaligen portugiesischen Kolonie und jetzigen Sonderverwaltungszone Macao gibt es die Hightechkarte für die Bürger schon. Die Leverkusener stellen für das Dokument den Kunststoff Macrofol her, in den per Laser Daten eingebrannt werden. In dem Kunststoff werden 15 Sicherheitsmerkmale untergebracht, z. B. die Charakteristik des Fingerabdrucks oder die Daten eines Iris-Scans. Die Auslieferung der Ausweise für 460.000 Bürger begann Anfang diesen Jahres.

Von Datenschützern habe es gegen die Datenspeicherung auf Plastik gegenüber Bayer noch keine Kritik gegeben, sagt Frank Rothbarth, Sprecher von Bayer Polymers. Die Daten seien sicher, versichert auch Matthias Merx, Leiter des weltweiten Vertriebs bei Giesecke und Devrient, dem Hersteller des Kartenkonzepts. „Die Daten werden mit einem 1024 Bit-Schlüssel geschützt.“ Zum Vergleich: Wer im Internet seine Online-Überweisungen tätigt, muss sich auf eine 128 Bit-Verschlüsselung verlassen.

Hohe Verschlüsselung ist auch notwendig, soll die Karte doch neben Identifizierungen auch als Führerschein, als Zahlkarte und als Ausweismöglichkeit bei der Nutzung zukünftiger e-Government Anwendungen dienen. An den Kartenleseterminals und Internetclients weisen sich die Nutzer mithilfe ihres Fingerabdrucks an einem Scanner aus. Zukünftig soll die Karte dann auch als Krankenversicherungskarte, Studenten- und Sozialversicherungsausweis dienen.

Die Karte soll überall lesbar sein, an Grenzübergängen, in öffentlichen Gebäuden und in mobilen Geräten, die beispielsweise von der Polizei benutzt werden können. Die Datenflut auf der Karte soll gut gegen Verlust geschützt sein. Sie soll sich so reproduzieren lassen, dass sie immer wieder in ihrem letzten Zustand hergestellt werden kann. Das bedeutet, dass jeder Vorgang der mit der Karte durchgeführt wird, zentral gespeichert werden muss, um den aktuellsten Stand herleiten zu können.

Aber nicht nur die damit verbundenen Überwachungsmöglichkeiten sind ein eventuelles Kartenrisiko. Das Büro für Technologiefolgeabschätzung in Berlin hält die Leistungsfähigkeit der Biometrie verfügbarer Systeme momentan für „nicht seriös einschätzbar“. Das mag auch der Grund dafür sein, dass sich die Multifunktionskarte in westlichen Demokratien noch nicht richtig durchsetzen konnte. Bis jetzt wird der Ausweis mit Chip im Sultanat Brunei, Ägypten, Hongkong und eben in Macao eingesetzt. Thomas Petermann, Mitarbeiter des Büros für Technologiefolgeabschätzung, welches für den Bundestag eine Analyse zu biometrischen Systemen erstellt, führt dies auf die Kultur dieser Länder zurück: „Das Abgeben eines Fingerabdrucks ist dort kulturelle Praxis.“ Lediglich Multifunktionskarten ohne biometrische Daten sind bis heute akzeptiert. Petermann schätzt aber, dass in Deutschland immer mehr biometrische Daten in den Ausweis gelangen werden: „Wenn das fließend geschieht, sehe ich kein Problem.“

Bis dahin muss sich Bayer in China versuchen. Auch wenn das momentan noch Zukunftsmusik ist, Rothbarth ist sich sicher, dass Macrofol der Trumpf ist, der Bayer den Auftrag zuspielen könnte: „Diese Folie ist speziell für solche Ausweise entwickelt worden.“ Vergleichbare Konkurrenzprodukte gebe es seines Wissens nach nicht.