„Wut und Hass aufs Arbeitsamt“

Arbeitsloseninitiativen klagen über wachsenden Druck. Arbeitslose werden aus der Statistik gedrängt. Proteste gegen Sozialabbau gehen weiter: Landesweite Demonstration im Januar

VON ANDREAS WYPUTTA

In ganz Nordrhein-Westfalen wächst der Druck auf Arbeitslose und sozial Schwache. „Die Arbeitsämter betreiben keine Vermittlungsoffensive, sondern drängen Erwerbslose verstärkt aus der Statistik und dem Leistungsbezug“, sagt Martin Künkler, Sprecher der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld. Bundesweit seien bereits 826.000 Arbeitssuchende aus der Statistik herausgefallen, davon jeder Fünfte in NRW: „Die Leute erhalten immer weniger Hilfen und Stellenangebote. Stattdessen schafft die Arbeitsverwaltung immer mehr Auflagen und Pflichten.“

Alleinerziehende etwa würden so kurzfristig zu Arbeitsmaßnahmen verpflichtet, dass sie wegen fehlender Kinderbetreuung nicht teilnehmen könnten. Als Konsequenz drohten mehrwöchige Zahlungssperren. Hintergrund seien der Druck durch die Hartz-Gesetze, umgesetzt durch Anweisungen der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) und deren Vorsitzenden Florian Gerster (SPD). Die Mitarbeiter der Arbeitsämter dagegen seien an Weisungen gebunden und nicht direkt verantwortlich, so Künkler.

Widerstand gegen den Sozialabbau kommt von Arbeitsloseninitiativen, Sozialforen und Gewerkschaftern. So finden etwa in Köln, Dortmund und Herford regelmäßige Aktionen gegen Hartz & Co. statt. „Wir setzen dabei auch auf ungewöhnliche Protestformen, oft mit satirischem Charakter“, erklärt Gerd Pfisterer vom Dortmunder Sozialforum. „Da betteln als Rentner verkleidete Jugendliche um Geld, um gegen die versteckten Rentenkürzungen und die Verlängerung des Renteneintrittsalters aufmerksam zu machen.“ Und alle Initiativen mobilisieren für die landesweite Demonstration Ende Januar in Düsseldorf.

Denn bei den Arbeitslosen wachsen Wut, Frust und Enttäuschung. „Die Leute können nicht fassen, wie ausgerechnet eine rot-grüne Regierung mit den Erwerbslosen umgeht“, sagt Thomas Münch vom Kölner Arbeitslosenzentrum Kalz. Die Folge: Besonders SPD-Bundeswirtschaftsminister gilt als „Verräter“, Grünen-Chef Reinhart Bütikofer als „bräsig“ – der Oberrealo versuche, den sozialen Kahlschlag als „tolle Grundsicherung“ zu verkaufen. „Die SPD tut alles, um unter 20 Prozent zu sacken“, findet Münch.

Die Forderung der Initiativen: Die vorhandene Arbeit müsse durch Flexibilisierung der Arbeitszeiten gerechter verteilt, die großen Konzerne endlich wieder angemessen an der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben beteiligt werden. „Stattdessen reduziert sich der Staat freiwillig zum Dienstleister internationaler Konzerne“, klagt Pfisterer.

Das arrogant wirkende Auftreten von BA-Chef Gerster, etwa durch millionenschwere Werbekampagnen oder den völlig überteuerten Umbau der Büroräume des Nürnberger BA-Vorstands, schafft vor Ort nur noch Hass. Im Internet wird bereits zu Brandanschlägen auf Arbeitsämter aufgerufen. Titel: „Tötet Florian Gerster“.