Vergewaltiger behält seine Freiheit

Der umstrittene Massengentest machte die EK-Messer bundesweit bekannt. Jetzt werden die Ermittlungen zum Bochumer Serienvergewaltiger erfolglos eingestellt

BOCHUM taz ■ Ein bisschen Hoffnung hat Kommissarin Andrea Scheuten noch. 200 unausgewertete Speichelproben lagern noch in den Laboren der Bochumer Polizei, und vielleicht ist eine davon vom großen Unbekannten. Und wenn nicht...

„Es gibt unlösbare Fälle,“ sagt die Kommissarin und seufzt. Damit wird jeder Kommissar irgendwann konfrontiert. Die 200 Proben sind die letzte Chance. Auf jeden Fall für die EK-Messer. Denn wenn sie ausgewertet sind, wird das Einsatzkommando eingestellt. „Hinweise auf den Täter nehmen wir natürlich weiter auf“, sagt Andrea Scheuten. „Und gehen ihnen auch nach.“ Aber der Fall wird dann nicht mehr Scheutens einziger sein. Nur der langwierigste.

Auch der „Geoprofiler“ von Scotland Yard hatte keine Spur

An der Pinnwand im Dienstzimmer der EK Messer sind auf einem riesigen Kartenausschnitt die Tatorte verzeichnet. 21 orangene Pfeile kleben dort, der erste vom August 1994, der letzte vomDezember 2002. Sie haben nicht viel geholfen: Auch der Geoprofiler von Scotland Yard, der im Winter kam, konnte den Ankerpunkt des Täters nicht genau verorten: Irgendwo im südlichen Sprockhövel und im von der Ruhruniversität geprägten Querenburg, lautete seine Einschätzung. Das sind 54 Straßen und Straßenabschnitte, in denen der Täter wohnen könnte.

Der Massengentest war die einzige Chance, sagt die Ermittlerin

Immerhin verringerte diese Erkenntnis die unendliche Menge der Verdächtigen auf eine Teilmenge von zehntausend Männern der Jahrgänge 1962 bis 1977.

„Der Massengentest war die einzige Chance,“ sagt Andrea Scheuten. Mit über 8.000 DNA-Proben von Männern zwischen 25 und 40 Jahren wollte die Polizei den Massentäter finden. Doch der Täter ist gesichtslos geblieben. Von ihm existieren sechs verschiedene Phantombilder. Keine verlorenen Gegenstände. Dunkle Kleidung. Kein unverwechselbares Merkmal, nicht mal ein Augenzwinkern. „Stets überfiel er die Frauen von hinten und versetzte sie mit dem titelgebenden Messer in Todesangst - ein Gefühlszustand, der die Wahrnehmung auf die Überlebensnotwendigkeiten verengt,“ erklärt sie. 16 Frauen vergewaltigte er seit 1994, fünf konnten ihn in die Flucht schlagen. „Das einzige was wir von ihm haben, ist seine DNA,“ sagt Andrea Scheuten. Deshalb der Massengentest. Für die Aufregung unter den Studenten und für die 76 Verweigerer hat sie sogar Verständnis: „Klar, so ein Test setzt die Unschuldsvermutung außer Kraft.“ Sie beantragte trotzdem eine Zwangsverfügung. Den Täter fand sie dadurch nicht. Aber zumindest hat sie das Gefühl, alles versucht zu haben. MIRIAM BUNJES