Streitobjekt Ostsee

Bundesumweltministerium will zwischen Fehmarn und Rügen großflächige Flora-Fauna-Habitat-Schutzflächen ausweisen. Neben Fischerei und Schifffahrt sind davon auch vorgesehene Windparks betroffen – den Planern und Investoren zum Ärger

„Eine FFH-Ausweisung wird den Bau von Offshore-Windparks erheblich erschweren“

von MARTINA RATHKE

Für die Planer von Offshore-Windanlagen ist die Ostsee ein Quell neuer Energien, für Fischer Arbeitsort und für die Schiffe ein Transportweg. Angesichts des steigenden Drucks auf das Binnenmeer wollen EU und Bund jetzt die Notbremse ziehen und große Flächen unter FFH-Schutz stellen. Damit wird die Ostsee zum Streitobjekt. In zwei öffentlichen Anhörungen heute in Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) und morgen in Rendsburg (Schleswig-Holstein) können Nutzer- und Schutzverbände, Unternehmen und Ministerien Stellung zu den Plänen des Bundesumweltministeriums beziehen. Ein erstes Hearing zu Schutzgebieten in der Nordsee fand bereits am 1. Dezember in Bremen statt (taz berichtete).

Nach dem Willen des Bundesministeriums sollen rund 2.500 Quadratkilometer Ostsee in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) außerhalb der 12-Seemeilen-Zone Schutzstatus nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU (FFH) erhalten. Die Vorschlagsliste umfasst den Fehmarnbelt und die Kadet-Rinne nördlich von Rügen sowie östlich davon den Adlergrund, die westliche Rönnebank und die Pommersche Bucht vor der Odermündung.

Diese Gebiete mit ihren Riffen und Sandbänken sind einmalige Lebensräume, argumentiert der zuständige Fachgebietsleiter des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Henning von Nordheim, und bezieht sich auf wissenschaftliche Untersuchungen renommierter Institute. Die Pommersche Bucht soll zusätzlich den Status eines Vogelschutzgebietes erhalten.

In den Steinriffen der viel befahrenen Kadet-Rinne tummelt sich nach BfN-Untersuchungen mit Zuckertang, Seeanemonen und Miesmuschelbänken nicht nur eine ökologisch hochwertige Flora und Fauna. „Weil rund 70 Prozent des Wasseraustauschs zwischen Nord- und Ostsee durch die Kadet-Rinne erfolgt, ist sie von herausragender Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht“, sagt der Experte. Die Oderbank als größte Sandbank in der Pommerschen Bucht ist vermutlich ein wichtiger Lebensraum für die nur rund 600 Tiere umfassende Population der Ostsee-Schweinswale. Mit einer klaren Ablehnung der FFH-Gebietsvorschläge ziehen die Fischerverbände in die beiden Anhörungen. Sie bangen um ihre angestammten Herings- und Dorschfanggebiete.

Auch für die Planer von insgesamt fünf Offshore-Windparks vor Rügen sind die Vorschläge ein rotes Tuch. „Eine FFH-Ausweisung wird den Bau von Offshore-Windparks erheblich erschweren“, erklärt Sandra Weidmer von der Winkra Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft in Hannover. Das Unternehmen will in der Oderbank eine Pilotanlage mit 70 Rädern errichten. „In dem neuen Entwurf des Energie-Einspeise-Gesetzes dürfen Windparks nur bis Ende 2004 in FFH-Gebieten gefördert werden. Danach fällt die Förderung weg“, sagt Weidmer. „Wir leben derzeit in absoluter Planungsunsicherheit.“

Nach der Anhörungsphase werden sich die Bundesministerien mit den Stellungnahmen befassen. „Am Ende wird eine mit Bundesministerien, Land und Öffentlichkeit abgestimmte Gebietsliste nach Brüssel gemeldet“, versichert von Nordheim.