Containern in der Nordstadt

Das Bochumer Video- und Filmfestival „Blicke aus dem Ruhrgebiet“ hat einen eindeutigen Sieger: Dem Borsigplatz in Dortmund widmeten sich gleich drei der prämierten Festivalbeiträge

Manchmal waren die Festivalpreise auch der Steigbügel fürs Filme schaffen

AUS BOCHUM BERND SCHÄFER

Sonntag Abend endete das 12. Ruhrgebiets Film- und Videofestival in den Räumen des Bahnhof Langendreers mit der Preisverleihung. Gleich drei der prämierten „Blicke aus dem Ruhrgebiet“ machten das Leben am Dortmunder Borsigplatz zum Thema.

Die ausgezeichneten Filme seien „so heterogen, wie das Festival selbst und ergänzen sich hervorragend“ begründet Jutta Krug, WDR-Redakteurin, die Voten der Jury, der neben dem Filmjournalisten Sascha Westphal mit Filmautorin Uta Netzeband und Dokumentarfilmer Frank Wierke auch zwei ehemalige Blicke-PreisträgerInnen angehörten: “Urban State(Ments) – Borsigplatz“ von Andreas Rump wurde mit dem trailer-Querdenkerpreis ausgezeichnet: Ein Porträt von jungen Menschen, die sich dem Konsum verweigern und denen sich Rump sympathisierend nähert. Zu ihrem Lebensinhalt gehört das „containern“, sie durchsuchen die Mülltonnen der Wegwerfgesellschaft. Wie der Kölner Rump erläutert, geschieht dies nicht unbedingt aus der Not heraus. Protagonist Daniel weigere sich einfach, Geld auszugeben. Sein Vorbild sei Schriftsteller Michael Holzach, der in den 1980er Jahren mit seinem Aussteigerbericht, „Deutschland umsonst – Zu Fuß und ohne Geld durch ein Wohlstandsland“, bekannt wurde. Holzach verstarb 1983 tragisch beim Versuch, seinen Hund aus der Emscher zu retten.

Vom Borsigplatz schockiert war hingegen Studentin Gertrud Schweers: „Ich mag den Platz nicht besonders“. Die vom „cleanen“ München verwöhnte Filmerin näherte sich gleichwohl den Menschen in den Seitenstraßen und ließ sich von deren Lebensqualität begeistern. Ihre fotografische Umsetzung „Borsigplatz – subjektiv“ wurde mit dem Ruhrgebietspreis der taz honoriert, so Jurorin Uta Netzeband.

Als Kulisse benutzten Michael Kupczyk und Nadine Neumeier den Dortmunder Norden in ihrem Spielfilm „Nordstadt“. 90 Minuten spannende Unterhaltung realisierten sie mit 5.000 Euro und 15 Drehtagen, wofür sie den Publikumspreis erhielten.

Ganz andere Wege schlug Martin d‘Costa ein, er begab sich auf familiäre Spurensuche nach Indien. Mit seinem Essay „Der Dschungel verändert sich nie“ vermittelt er persönliche wie tiefe Einblicke in die Realitäten des Subkontinents, die fast nicht enden wollen – laut Juror Sascha Westphal macht das die Qualität des Films aus: „Dieser Film kann kein Ende haben“.

Ausgezeichnet wurden auch „Endlich erwachsen“ von Petra Engelke und Henning Brod aus Bochum, ferner „Breakdance“ von Martin Brand (Bochum) sowie „Die 4 Minuten Ecke“ von Toto Regus aus Essen. Gelobt wurde die gelungene Kameraarbeit des Dortmunder Michael Jörg im Dokumentation „Michaels Kampf“ über einen jugendlichen Boxer.

Dass die Preise nicht Garant, aber manchmal ein Steigbügel für weitere filmschaffende Tätigkeiten sein können, betont Gabi Hinderberger, eine der Festival-Veranstalterinnen. „Azad“, ein im letzten Jahr ausgezeichnetes Doku-Drama von Murat Sivri und Ismail Kaplan, wird demnächst von „3sat“ produziert. Marion Kains Film „Der Tag, der in der Handtasche verschwand“ – 2001 auf dem Blicke-Festival vorgestellt – erhielt 2002 gar den Grimme Preis.